19.05.2024

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Folge 14-22 vom 08. April 2022 / Jubiläum / Surminskis „Jokehnen“ entzündete den Funken / Beginn unter schwierigen Bedingungen – Die Dittchenbühne in Elmshorn besteht seit 40 Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-22 vom 08. April 2022

Jubiläum
Surminskis „Jokehnen“ entzündete den Funken
Beginn unter schwierigen Bedingungen – Die Dittchenbühne in Elmshorn besteht seit 40 Jahren
Raimar Neufeldt

Eigentlich wollten wir nie einen Verein gründen, sondern nur Theater in lockerer Runde spielen. Wir waren größtenteils Pädagogen mit einem östlichen Hintergrund, denn wir oder unsere Vorfahren stammten meistens aus Ost- oder Westpreußen.

Durch Arno Surminskis Roman „Jokehnen“ über das Schicksal des ostpreußischen Dorfes und den Lebensweg eines Jungen während der Jahre 1934 bis 1946 waren wir motiviert worden, Reisen in die Heimat unserer Vorfahren zu unternehmen. 

Wir hatten schon während des Kriegsrechts in der Volksrepublik Polen Hilfsgüteraktionen unter dem Motto: „Ein Herz für Ostpreußen“ organisiert, bei denen neben der Jungen Union auch die Jungsozialisten mitmachten, später schlossen sich andere Gruppen in Schleswig-Holstein unserer Aktion an.

Wir versorgten dabei auch den bettlägerigen letzten deutschen Domherrn in seinem Pfarramt.

Als erstes Schauspiel spielten wir in der Mitte der 1970er Jahre den „Strom“ des naturalistischen Schriftstellers Max Halbe. In dem Familienmelodram stehen das Hochwasser und der Dammbruch der Weichsel als Symbole für die Katastrophe einer Bauernfamilie, deren Oberhaupt seine Brüder betrogen hat. Unser Spiel gefiel den Zuschauern, und wir mussten in vielen Orten Nordwestdeutschlands auftreten, so auch an der Kieler Universität.

Es gelang uns, am Stadtrand von Elmshorn eine alte Gärtnereihalle zu erwerben, die wir zum Theater ausbauen wollten. Wir erhielten aber von keiner Seite einen öffentlichen Zuschuss, nur Mitglieder und Freunde spendeten.

Die Stadt Elmshorn wollte uns keine Genehmigung für die Errichtung eines kleinen Theaters geben, jede Veranstaltung musste von uns beantragt und von der Stadt genehmigt werden. Oft wurden von 20 Veranstaltungen 16 verboten. Da half nur noch der Gang zum Gericht. Wir erhielten vor dem Verwaltungsgericht recht und konnten uns nun richtig entfalten. Ab 1988 erreichten wir 10.000 Besucher jährlich, später über 20.000.

Zu Weihnachten 1988 fuhren wir mit zwei Lkw nach Armenien und lernten die sowjetischen Behörden von einer positiven Seite kennen, während DDR- und polnische Behörden uns weiterhin schikanierten. Am 1. Januar 1990 brachten wir einen Lkw-Transport nach Königsberg und Rauschen. Wir versorgten Kinder aus Tschernobyl in verschiedenen Kinderheimen und nahmen Kontakt zum „Dramatischen Theater Kaliningrad“ auf. Hieraus entwickelte sich ein interessanter Austausch, später kam auch das „Theater Tilsit“ dazu. Eine besondere Freundschaft entwickelte sich mit dem „Dramatischen Theater Klaipeda“, auch das polnische Theater aus Wilna gastierte oft in der Dittchenbühne, litauische Schauspieler und Regisseure waren bei uns häufig beschäftigt.

Dreißig Jahre lang führte die Dittchenbühne ihre Ostsee-Tournee durch, die weitesten Tourneen führten bis nach Murmansk und auf den „goldenen Ring“ um Moskau herum. Pro Tournee sahen rund 2500 bis 3000 Personen unsere Aufführungen. In letzter Zeit spielten wir fast nur noch an Universitäten.

Unter dem Staatssekretär Horst Waffenschmidt übernahm ich die Koordinator der Hilfen für die Deutschen Minderheit im Baltikum und Nordwestrussland. Es handelte sich dabei um den Aufbau und die Betreuung von 16 Begegnungsstätten im Baltikum und 35 in Russland. Darunter fielen auch das „Simon-Dach-Haus“ in Memel und das „Deutsch-Litauische Haus“ in Heydekrug. Auch das erste Treffen der Deutschen Minderheit im südlichen Ostpreußen wurde von uns organisiert. Und viele Bildungsreisen in den Osten und nach Skandinavien führte die Dittchenbühne durch.

Die „Baltische Tafelrunde“ wird einmal jährlich durchgeführt, es gibt ein „Sechs-Gänge-Menü“ und einen besonderen Vortrag, die Teilnehmerzahl ist dabei auf 100 Personen begrenzt. Das Kinder- und das Erwachsenentheater des Vereins gehört zu den größten der Region. Der Verein hat auch einen Kindergarten mit 80 Kindern und ist als Mehrgenerationenhaus und Stadtteilzentrum anerkannt.

Es gibt bei der Dittchenbühne viele „verrückte“ Sachen: zum Beispiel ein großes „Elchessen“, „Ostpreußische Graue Erbsen“, das große Pfingstfest „Ochsen am Spieß und Flohmarkt“ mit rund 15 bis 20.000 Besuchern, den „Weihnachtsmanndienst“ mit rund 100 Besuchen am Heiligabend und etwa 30 Weihnachtsmärchen-Aufführungen. Auch die „Russische Weihnacht“ mit rund 300 Personen findet  jährlich statt. Es lohnt sich bei der Dittchenbühne hineinzuschauen.

Ende des Monats gibt es eine Uraufführung „… und die Großen lässt man laufen“, ein Schauspiel über die Zustände in Masuren nach dem Zweiten Weltkrieg und die Verwicklungen mit der Organisation Gehlen.

Beim ersten Treffen der Deutschen Minderheit im südlichen Ostpreußen kam 1990 ein älterer Herr auf mich zu und fragte, ob ich schon mal etwas von der „Masurischen Befreiungsarmee“ gehört hätte. Er sei damals dabei gewesen und habe dafür als 17-Jähriger acht Jahre in einem polnischen Zuchthaus gesessen.

Seine Angaben machten mich neugierig. Ich stieß auf vier weitere Personen, die mir ähnliches erzählten. Es ging um die Auseinandersetzungen der noch ansässigen deutschen Bevölkerung in Masuren mit den polnischen Zuwanderern in den 1940er und 50er Jahren. General Reinhard Gehlen, der mit der „Abteilung Fremde Heere Ost“ im ostpreußischen Lötzen saß, dann nach Kriegsende in Westdeutschland für die Amerikaner arbeitete und später den Bundesnachrichtendienst aufbaute, spielte dabei eine gewichtige Rolle.

Die Premiere findet am Freitag, dem 29. April, statt. Weitere Termine auf der Internetseite www.dittchenbuehne.de

10.000

Besucher kamen ab dem Jahr 1988 jährlich zur Dittchenbühne, später waren es über 20.000