Herbert Czaja, gebürtiger Oberschlesier und langjähriger Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), war eine Ausnahmeerscheinung unter den Politikern Nachkriegsdeutschlands, die als Ostdeutsche das Vertreibungsschicksal erlitten hatten. Es gab unter den Politikern Nachkriegsdeutschlands (Alt-Bundesrepublik) etwa ein Dutzend profilierte Vertriebenen Politiker.
Keine dieser Persönlichkeiten, mit Ausnahme der Frau Erika Steinbach, konnte sich mit Herbert Czaja messen, hinsichtlich der Grundsatztreue für die Anliegen der Heimatvertriebenen. Er überstrahlte alle. Steinbach hat mit Mut, Ausdauer und Fleiß nach jahrelangem Kampf das Zentrum gegen Vertreibungen durchgesetzt.
Es war vorrangig Czajas Verdienst dass die Heimatvertriebenen auf dem sozialen und dem kulturellen Sektor zahlreiche Anliegen realisieren konnten. Dass seine jeweiligen Mitstreiter in den einzelnen Jahrzehnten nach 1950 graduell daran Anteil hatten, soll hier ausdrücklich vermerkt werden. Jedoch hat keiner dieser Schicksalsgefährten sich wie der Oberschlesier Czaja über fünf Jahrzehnte als rastloser Anwalt für die vertriebenen Ostdeutschen einschließlich der Sudetendeutschen engagiert.
Czaja wurde am 10. März 1970 zum Präsidenten des BdV gewählt. Nach seiner Wahl erklärte er, Präsident des BdV zu sein, sei kein Posten für die Karriere, sondern eine Stellung zum Verschleiß. Mit dieser Einstellung begann er 1947 als Stadtrat in Stuttgart seine Arbeit für die geflüchteten und vertriebenen Landsleute.
Czaja hatte eine fundierte humanistische Bildung in seiner gymnasialen Schulzeit und als Student der Geschichte, Germanistik und Philosophie in Krakau und Wien erworben. 1939 promovierte er an der Jagiellonen-Universität zum Dr. phil. Danach war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität in Krakau. Ab 1942 musste er Kriegsdienst an der Ostfront leisten. Von einer schweren Verwundung wurde er nicht verschont. Der Neuanfang nach der Zäsur von 1945 gelang 1946 in Stuttgart mit der Anstellung als Gymnasiallehrer.
37 Jahre, von 1953 bis 1990, hatte Czaja ein Mandat für die CDU als Abgeordneter des Bundestages inne. Die Fürsorge für seine Schicksalsgefährten und einen gerechten Ausgleich mit den Ländern Ostmitteleuropas hatte er sich zur Lebensaufgabe gemacht. Drei Merkmale waren für seine Persönlichkeit bestimmend. Er war ein grundsatztreuer Politiker mit der Fähigkeit, auch die Sichtweise des Gegenübers nachzuvollziehen. Er war ein deutscher Patriot. Und er war ein bekennender katholischer Christ. Jahrelang war er Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).
Nach Vollendung seines 80. Lebensjahres, gab Czaja das Amt des Präsidenten des BdV ab. Er blieb aber aktives Mitglied in einigen Organisationen der Heimatvertriebenen. So war er bis zum Tode Vorsitzender des Kuratoriums der Kulturstiftung der Vertriebenen. Er war rastlos tätig. Seine verfassten Briefe, Kommentare, Reden und Memoranden sind mit einer mittleren fünfstelligen Zahl zu beziffern. Sein Hauptwerk „ Unterwegs zum kleinsten Deutschland seit 1000 Jahren“ war mit fast 1000 Seiten voluminös.
Herbert Czaja wurde der Respekt für sein politisches Wirken nicht versagt. 1989 erhielt er mit dem Preußenschild die höchste Auszeichnung der Landsmannschaft Ostpreu0en (LO). Am 18. April 1997 starb er in den Sielen.