20.05.2024

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Folge 16-22 vom 22. April 2022 / Rot-grün-rot / Hauptstadt taumelt in die Dauerkrise / Pandemie-Folgen und Flüchtlingsstrom legen die Defizite der Senatspolitik schonungslos offen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-22 vom 22. April 2022

Rot-grün-rot
Hauptstadt taumelt in die Dauerkrise
Pandemie-Folgen und Flüchtlingsstrom legen die Defizite der Senatspolitik schonungslos offen
Norman Hanert

Bevor die Corona-Pandemie Deutschland in einen Ausnahmezustand versetzte, schien sich der lange Zeit recht ramponierte Ruf Berlins als Schuldenhauptstadt zum Positiven zu wandeln. Das Motto „Arm, aber sexy“ der Wowereit-Ära verblasste, dafür tauchten immer öfter Meldungen von der Start-up-Metropole Berlin als deutschlandweitem Überflieger beim Wirtschaftswachstum auf. Solche Positivmeldungen liefert die Stadt noch immer. Erst Ende März konnte beispielsweise Berlins Wirtschaftssenator vermelden, dass die Wirtschaftsleistung der Millionenstadt im Jahr 2021 mit 3,3 Prozent über dem Bundesschnitt gewachsen ist.

Überlagert werden solche Positiventwicklungen nun immer öfter wieder von altbekannten Berichten, in denen es um eine hoffnungslos überforderte Berliner Verwaltung, Wohnungsmangel und Kinderarmut geht. Tatsächlich haben die Corona-Maßnahmen der vergangenen beiden Jahre gerade Berlin mit seinem großen Dienstleistungs- und Tourismussektor besonders hart getroffen. Die Folgen sind im unlängst veröffentlichten Berliner „Sozialmonitor“ ablesbar.

Armut nimmt wieder zu

Wie aus der Auswertung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hervorgeht, hat sich im vergangenen Jahr die Zahl der Stadtviertel, in denen die Armut zunimmt, in der deutschen Hauptstadt wieder erhöht. Kleinteilig unter die Lupe genommen hatten die Statistiker für den Sozialatlas 536 Gebiete in der Stadt. Dabei stellten sie zwar fest, dass sich im Süden und Osten der Metropole in einigen Wohnvierteln die soziale Situation gebessert hat. Unterm Strich nahm die Zahl der Berliner Problemkieze aber um 13 zu. 

Alarmierend ist zudem, dass die Statistik bei einigen dieser neuen Problemviertel im Vorjahr zumindest im Ansatz noch auf eine Verbesserung der Lage hingedeutet hatte. Nun jedoch steigen Kinderarmut und der Anteil von Hartz-IV-Empfängern wieder an. Zudem zeigt der Sozialmonitor einen hohen Anteil von Kindern auf, die in prekären Verhältnissen aufwachsen. Laut der Untersuchung beziehen in Berlin 27 Prozent der Altersgruppe unter 15 Jahren Transferleistungen vom Staat. Die Macher des Sozialmonitors stellten insgesamt eine „konstante Benachteiligung“ in Ortsteilen von Wedding, Moabit, Gesundbrunnen, Kreuzberg und ähnlichen Stadtvierteln fest. Als einen Grund für die Verschlechterung nennen die Forscher ganz deutlich vor allem die gestiegene Zahl an Hartz-IV-Empfängern während der Corona-Pandemie.

Zu dieser problematischen Entwicklung kommt ein weiterer Faktor hinzu, auf den die Autoren allerdings nicht hinweisen. Dem nochmals aufgelegten Dreierbündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei ist es nicht gelungen, nach dem Start ihrer Koalition  im vergangenen Herbst eine Aufbruchstimmung in Berlin zu entfachen. Stattdessen arbeitet sich das Dreierbündnis an „Bullerbü-Themen“ wie der Verbannung des privaten Autoverkehrs aus der Friedrichstraße ab oder versucht mit viel Energie, den Bund davon abzubringen, an der Berliner Stadtautobahn weiterzubauen. In noch größerem Maße aber wird ein Senat sichtbar, der immer öfter lediglich nur noch auf Entwicklungen wie etwa den Massenzustrom ukrainischer Flüchtlinge reagiert statt vorausschauend zu arbeiten. In ungewohnter Einigkeit haben die Oppositionsparteien CDU, AfD und FDP nach Ablauf der üblichen 100-Tage-Schonzeit Ende März eine vernichtende Bilanz der bisherigen Arbeit des Senats gezogen. Tenor der drei Parteien war die Aussage, Rot-Grün-Rot habe die Hauptstadt bislang nicht vorangebracht.

„Verlorene Tage für Berlin“

Aus Sicht des CDU-Fraktionsvorsitzenden Kai Wegner hat der von der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) geführte Senat bislang „viel angekündigt und manches beschlossen. Aber schöne Überschriften reichen nicht“, so Wegner. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker bewertete die Startphase der Koalition sogar als „verlorene Tage für Berlin“. „Wichtige Probleme wie das Chaos in der Berliner Verwaltung oder der katastrophale Zustand von Straßen und Brücken wurden nicht angegangen“, so Brinker. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja bescheinigt Rot-Grün-Rot, eine „Weiter-so-Koalition“ zu sein, die zudem „Lieferschwierigkeiten“ habe.

Giffey selbst lobte anlässlich der 100-Tage-Bilanz die Senatsmitglieder explizit für deren Arbeit, sprach allerdings auch selbst von einer „Regierung im Krisenmodus“. Für die Stadt besteht indes die Gefahr, dass dieser Modus zum Dauerzustand wird. Die Regierende Bürgermeisterin geht inzwischen von rund 60.000 geflüchteten Ukrainern aus, die bereits in der Stadt leben. Giffey erwartet für die Zeit nach Ostern einen erneuten Anstieg der Flüchtlingszahlen aus der Ukraine, sodass möglicherweise sogar bis zu 100.000 Ukrainer in Berlin bleiben würden. Damit müssen sich die Berliner darauf gefasst machen, dass sich auf ohnehin kritischen Gebieten wie dem Wohnungsmarkt, dem Berliner Bildungssystem oder der überlasteten Verwaltung die Lage weiter zuspitzt.