20.05.2024

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Folge 16-22 vom 22. April 2022 / Gesundheitswesen / Spekulanten kaufen deutsche Arztpraxen / Profitorientierte internationale Finanzinvestoren treiben die Kosten pro Behandlungsfall in die Höhe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-22 vom 22. April 2022

Gesundheitswesen
Spekulanten kaufen deutsche Arztpraxen
Profitorientierte internationale Finanzinvestoren treiben die Kosten pro Behandlungsfall in die Höhe
Wolfgang Kaufmann

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt kaufen ausländische Finanzinvestoren Arztpraxen in der Bundesrepublik auf. Anschließend erzielen sie Renditen von durchschnittlich 20 Prozent. Diese kommen zustande, weil die medizinischen Einrichtungen „vermehrt betriebswirtschaftlich attraktivere Leistungen erbringen, während sie weniger attraktive Leistungen vernachlässigen“, so die Einschätzung des privaten Institutes für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) in Berlin nach einer umfassenden Auswertung der Abrechnungsdaten von Praxen verschiedener Eigentumsformen.

Dabei konzentrieren sich die Investoren besonders auf den Bereich der Zahn- und Augenheilkunde. So gehören inzwischen mehr als 500 Augenarztpraxen internationalen Finanzunternehmen. Das sind dreimal so viele wie noch vor drei Jahren. Oftmals entstanden ganze Ketten mit monopolähnlicher Marktposition, wie die Sanoptis, die der Londoner Telemos Capital gehört und in Norddeutschland schon an mehr als 150 Standorten präsent ist.

Bundesregierung bleibt untätig

Der spekulative Erwerb von Arztpraxen hat zweierlei Folgen. Zum einen ist es jungen Medizinern ohne größeres Kapitalpolster kaum noch möglich, sich selbstständig niederzulassen, weil die Preise für die Einrichtungen explodiert sind. 

Zum anderen klagen die angestellten Mediziner über massiven Druck, möglichst viele Zusatzleistungen an die Patienten zu verkaufen und den Krankenversicherern möglichst hohe Abrechnungen zu schicken. Letzteres konnte das IGES insofern bestätigen, als es bei einer Untersuchung im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern herausfand, dass Praxen in der Hand von Finanzinvestoren durchschnittlich zehn Prozent mehr Honorar pro Behandlungsfall verlangen als andere Einrichtungen.

Dem widersprechen naheliegenderweise die Betreiber von investorengeführten Praxen. „Keiner von uns ist darauf aus, schnelles Geld zu machen“, beteuerte der Gründer der Augenarztkette Artemis, Kaweh Schayan-Araghi, im Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR). Außerdem müsse jedes Unternehmen auf seinen guten Ruf und ein solides Preis-Leistungs-Verhältnis achten.

Angesichts des zunehmenden Erwerbs von Arztpraxen durch Finanzdienstleister sah der Bundesrat bereits 2018 die Gefahr „einer Einengung der angebotenen Versorgung auf bestimmte, besonders lukrative Leistungen“ und schlug Gesetzesänderungen vor, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Die Anregung der Länderkammer wurde jedoch von der damaligen schwarz-roten Bundesregierung ignoriert. 

Und auch die aktuelle Ampelkoalition zeigt kein Interesse am Treiben der Finanzspekulanten. Es sei weder bekannt, „ob und inwieweit eine beherrschende Marktkonzentration“ von ärztlichen Versorgungsstrukturen in einzelnen Bereichen vorliege, noch wisse man, „worauf etwaige Konzentrationstendenzen zurückzuführen“ seien, teilte das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage des NDR mit. Somit steht zu erwarten, dass künftig noch mehr Geld aus den Kassen der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten in die Taschen anonymer Investoren fließt.