20.05.2024

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Folge 16-22 vom 22. April 2022 / Kolumne / Dreierlei Entwicklungshilfe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-22 vom 22. April 2022

Kolumne
Dreierlei Entwicklungshilfe
Florian Stumfall

Es ist ganz natürlich, dass, sobald ein neuer Krieg entbrennt, die bis dahin tobenden Kriege dem allgemeinen Gedächtnis entschwinden. Auch anderes Unglück tritt in den Hintergrund. Dazu gehören ganz vordringlich die Lebensbedingungen von vielen Millionen Menschen in Schwarzafrika, die sich nur dann und wann, sobald eine diesbezügliche Pressekampagne ergeht, in die Erinnerung des Publikums drängen.

Die Politik allerdings verliert dieses Thema, zu dem Afrika als Beispiel auch für andere Kontinente dienen soll, keineswegs aus den Augen. Sie schickt mittels ihrer hochentwickelten Entwicklungshilfe-Industrie bestbezahlte Funktionäre rund um den Erdball, deren Aufgabe es nicht zuletzt ist, an hoher Stelle Gespräche zu führen über deutsche Zahlungen an die verschiedensten Länder. Was aber der Politik recht ist, das ist vielen anderen billig. Dazu gehören die Kirchen, Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie Ärzte ohne Grenzen oder Terre des hommes, das Rote Kreuz samt Kollegenschaft bis hin zu den Gewerkschaften, die Beiträge ihrer Mitglieder auch in die Dritte Welt tragen, und sei es über eigens dafür gegründete Vereine.

Auf diese Weise kommt sehr viel Geld in diese Länder, oftmals allzu viel Geld. Der kenianische Nationalökonom James Shikwati sagt: „Wer Afrika helfen will, darf den Afrikanern nicht sagen, wie man an sein Geld kommt.“ Denn Geschenke lähmen die Initiative, Geld wird überwiegend veruntreut, und Lebensmittelspenden ruinieren die einheimischen Bauern, die mit Gratis-Importen nicht konkurrieren können. 

Deutschland verschenkt Geld

Ein beredtes Beispiel stellt Nigeria dar. Als Förderer von Rohöl steht das Land mit an vorderster Stelle weltweit. Vor 25 Jahren gehörte es zu den 50 reichsten Ländern der Welt, heute zu den 25 ärmsten. Dabei fließt ein breiter Strom von Entwicklungshilfe nach Abuja. Erst im Oktober des vergangenen Jahres wurde allein von der Bundesregierung eine weitere Zahlung von über 100 Millionen Euro vereinbart. Denn die europäischen Politiker lassen sich vom unaufhörlichen Misserfolg ihrer Maßnahmen nicht beeindrucken. Auch der Umstand, dass es denjenigen Ländern in Afrika am schlechtesten geht, die am meisten Entwicklungshilfe beziehen, scheint niemandem aufzufallen. Was man mit viel Geld nicht erreicht, will man mit noch mehr Geld schaffen.

China baut in Afrika

Volker Seitz, ehemaliger deutscher Botschafter in westafrikanischen Ländern, schreibt in seinem vorzüglichen Buch: „Afrika wird armregiert“: „Die Lebensbedingungen vieler Afrikaner in den afrikanischen Klassengesellschaften, in denen die einstige Mittelschicht schon vor Jahrzehnten weggebrochen ist, die Oberschicht sich Privilegien verschafft hat und die Mehrheit der Bevölkerung ausbeutet, sind heute schlechter als zu Beginn der Unabhängigkeit. Weiße Kolonialherren wurden durch schwarze Kolonialherren ersetzt.“

Dabei wird es aber nicht bleiben, denn es gibt noch andere, die gelben Kolonialherren. China hat in den zurückliegenden ein, zwei Jahrzehnten einen bestimmenden Einfluss auf das Afrika südlich der Sahara genommen. In so gut wie jedem Land spielen die Chinesen im Wirtschaftsleben eine große Rolle. Der Hintergrund ist der außerordentliche Reichtum an Rohstoffen, über den Afrika verfügt. Die Länder sind aber selbst nicht in der Lage, die Schätze zu erschließen. Das ist Chinas Ansatzpunkt.

Das Konzept sieht, grob gesagt, folgendermaßen aus: Eine bevollmächtigte Delegation aus Peking spricht bei einem Präsidenten in einem beliebigen Lande vor und erklärt, man werde, selbstverständlich auf eigene Rechnung, dort eine Straße von A nach B und eine Bahnlinie von Y nach Z bauen. Zusätzlich werde man eine funktionierende Infrastruktur errichten. Nachdem dies aber finanziell zulasten Chinas geschehe, erbitte man sich höflichst soundsoviele Anteile an folgenden Minen … Dann erfolgt die Überzeugungsarbeit an den einheimischen Entscheidungsträgern in Form von finanziellen Zuwendungen. Man nennt das auch schmieren.

Gelder aber, die zum Bau eines Projektes benötigt werden, bekommen die schwarzen Politiker nicht in die Hand. Das steht im Gegensatz zu den Gewohnheiten der europäischen, vor allem der deutschen Entwicklungshilfe. Den Europäern gegenüber bezeichnen die Afrikaner das Ansinnen, man wolle kontrollieren, was mit der Unterstützung geschehe, als „Neokolonialismus“. Das aber ginge den Chinesen gegenüber fehl. Denn diese weisen rechtzeitig darauf hin, dass auch sie Farbige seien und unter dem europäischen Kolonialismus hätten leiden müssen.

Auf diese Weise hat China fast ganz Schwarzafrika unter seine Kontrolle bekommen. Der Haupteffekt: Peking hat die Hand auf den schier unerschöpflichen Rohstoffen Afrikas. Natürlich wird auch auf diese Weise die Initiativkraft der Afrikaner nicht gefördert, aber es geschieht zumindest etwas. Die Projekte werden vollendet und die Schmiergelder kontrolliert zugemessen. Man kann das als das System eines aufgeklärten Kolonialismus bezeichnen: Entwicklung durch teilweisen Verzicht auf Entscheidungsgewalt.

Die USA setzen aufs Militär

Beim europäischen Konzept unterliegt die fragliche Finanzmasse sofort dem jeweiligen Potentaten, und der zählt das Geld, das er für sich beansprucht, selbst ab. Vorsichtshalber nimmt er reichlich, denn er muss auch seine Gefolgsleute alimentieren, damit das System stabil bleibt. Das ist die moderne Form der traditionellen Pa-tronatsordnung, angewandt jetzt nicht mehr auf Sippen, sondern auf den Staat.

Nachdem die Hauptsache bereits geschehen war, wurden auch die USA auf das Treiben der Chinesen in Afrika aufmerksam. Um auf irgendeine Weise damit gleichzuziehen, begann Washington, mit den betreffenden Ländern auf dem militärischen Sektor eine Zusammenarbeit zu vereinbaren. Heute gibt es in fast jedem Land südlich der Sahara ein Militärabkommen mit den USA und demgemäß fast überall US-Militär-Missionen.

Was zweckmäßiger ist, wird sich zeigen. Eines aber ist heute schon offenbar: Die USA müssen für ihr militärisches Engagement Unsummen aufbringen. Die Chinesen aber verdienen schweres Geld mit ihrer Art der Entwicklungshilfe.