20.05.2024

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Folge 16-22 vom 22. April 2022 / Johann Friedrich Struensee / Der deutsche Arzt herrschte 16 Monate in Dänemark / Unter dem Richtbeil endete vor 250 Jahren das Leben des Reformers – Seine Vorhaben stellen sich als ambivalent dar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-22 vom 22. April 2022

Johann Friedrich Struensee
Der deutsche Arzt herrschte 16 Monate in Dänemark
Unter dem Richtbeil endete vor 250 Jahren das Leben des Reformers – Seine Vorhaben stellen sich als ambivalent dar

Johann Friedrich Struensee stieg vom städtischen Amtsarzt zum Leibarzt des dänischen Königs Christian VII. auf, wurde Geliebter der Königin Caroline Mathilde und war von Anfang September 1770 bis Mitte Januar 1772 de facto Alleinherrscher in Dänemark. In dieser Zeit nahm er nichts weniger in Angriff als die Umgestaltung des gesamten Staates.

Der am 5. August 1737 in Halle geborene Sohn eines späteren Generalsuperintendenten  wurde pietistisch erzogen und hatte frühzeitig das Medizinstudium absolviert. Bereits 1758 war er Stadtphysikus in Altona, das damals der dänischen Krone unterstand. Intensiv beschäftigte er sich mit den Enzyklopädisten. Das aufklärerische Gedankengut teilte er mit dem Offizier Schack Carl von Rantzau, der ihn als Arzt für Christian VII. auf dessen Europareise 1768 vermittelte. Der dänische König war geistesschwach und regierungsunwillig. 

Nach der Reise wurde Struensee von Christian VII. zum Leibarzt ernannt und erhielt den Titel „Königlicher Vorleser“. Beständig drängte Struensee nach mehr Einfluss. Schlüssel war die Nähe zum König. Zupass kam ihm das Kongelov, das dänische Königsgesetz, gemäß dem der Regent als absoluter Monarch jede Entscheidung allein treffen musste. Der König unterschrieb von Struensee verfasste Gesetze und ernannte ihn im Juli 1771 zum Geheimen Kabinettsminister. Damit konnte Struensee Kabinettsverordnungen im eigenen Namen erstellen. Ob es sich bei der vom König teils tolerierten, teils ignorierten Beziehung Struensees zur Königin von dessen Seite um eine Herzensangelegenheit handelte oder der daraus resultierende politische Spielraum Antrieb war, ist umstritten. 

Der in der Verwaltung unerfahrene Mediziner hatte innerhalb kürzester Zeit sowie ohne Rücksicht auf das Bestehende eine Vielzahl von Institutionen aufgelöst und war bestrebt, das Land völlig neu zu organisieren. Auch Preußen war ihm Vorbild. Sparsamkeit, Pressefreiheit und Vergabe der Ämter nach Fähigkeiten waren nur einige Aspekte seiner Reformpolitik im Sinne der Aufklärung. Die Bildung, das Steuer- und Rechtswesen sowie die Landwirtschaft hatte er ebenso im Blick. Über 600 Gesetze und Verordnungen brachte er auf den Weg.

Struensee entfernte eine Reihe von Funktionsträgern, so den als „Prinzipalminister“ bezeichneten Johann Hartwig Ernst Graf von Bernstorff. Als Unterhalter des Königs setzte er statt des Hofmarschalls Conrad Holck einen Altonaer Freund ein. Ein ehemaliger Kommilitone wurde Bürgermeister von Kopenhagen, seinen finanzpolitisch versierten Bruder Carl August, der später preußischer Minister werden sollte, zog er ebenfalls heran. 

Zu den Feinden, die sich Struensee durch seine Personalpolitik geschaffen hatte, kam eine sich steigernde Unbeliebtheit bei der Bevölkerung. Seine im Rückblick oft als „fortschrittlich“ bezeichneten Reformen hatten etliche Schattenseiten. So brachen etwa durch die von ihm beendete merkantilistische Schutzzollpolitik die dänischen Manufakturen zusammen. Sein selbstherrliches Auftreten, die Tatsache, dass er kein Dänisch sprach, und der verbreitete Widerwille gegen seine Verbindung mit Caroline Mathilde gaben einer Verschwörung zusätzlichen Rückhalt. Am 17. Januar 1772 wurde er verhaftet, der lenkbare König unterzeichnete im Nachhinein die Befehle. Ein Prozess endete mit dem Todesurteil. Am 28. April 1772 wurde Struen­see geköpft und zerstückelt, die Leichenteile stellte man auf Rad und Pfahl zur Schau. Die Königin wurde verbannt. Die meisten Reformen Struensees wurden rückgängig gemacht, allerdings später erneut durchgeführt. 

Sein Leben bot reichlich Stoff für Literatur, genannt sei etwa der Roman „Der Besuch des Leibarztes“. Mehr noch als in der Wissenschaft dominiert in der künstlerischen Verarbeitung ein positives Bild seiner Politik, gern wird die Beziehungsgeschichte ausgeschmückt. Diese hatte zumindest ein greifbares Ergebnis. Struensee gilt als leiblicher Vater der dänischen Prinzessin Louise Auguste, damit wäre er ein Vorfahr der letzten Deutschen Kaiserin und Königin von Preußen Auguste Viktoria.E.L.