20.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 16-22 vom 22. April 2022 / Schwarzer Humor / ... wenn man trotzdem lacht / Galliger Witz ist in Kriegszeiten oft der einzige Ausweg für die gemarterte Seele

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-22 vom 22. April 2022

Schwarzer Humor
... wenn man trotzdem lacht
Galliger Witz ist in Kriegszeiten oft der einzige Ausweg für die gemarterte Seele
Bodo Bost

Humor war bereits in der Sowjetunion ein Mittel des Widerstands. Heute hilft er in der Ukraine, die Kriegskatastrophe auszuhalten und die Moral zu stärken. Der ukrainische Präsident Selenskyj war früher Kabarettist und wurde bekannt und beliebt, weil er sich über die Mächtigen seines Landes lustig gemacht hat. 

Die besten Vorlagen für Witze bieten oft die, die überhaupt keinen Humor verstehen, die radikalisierten Fundamentalisten. Vor Tausenden von bewaffneten Soldaten, die sich auf einem Platz in der Hauptstadt Grosny versammelt hatten, verpflichtete sich der Präsident Tschetscheniens, Ramzan Kadyrow, am 25. Februar, die russischen Operationen in der Ukraine militärisch zu unterstützen. Es war eine nahezu perfekte Inszenierung, mit Ausnahme eines kleinen Details: Während seiner Rede trug Kadyrow deutlich erkennbar Lederstiefel von Prada, das Modell „Monolith“ für 1250 Euro. Der tschetschenische Islamist wurde so zur idealen Vorlage für ein Foto, das viral ging mit der Bildunterschrift „Der Teufel trägt Prada“, als Anspielung auf den gleichnamigen Roman und Film.

„Don’t worry, be happy“

Mehr denn je trifft im Krieg Tragik auf Komik. Humor hat im Krieg immer als Rettungsanker gedient. Man fühlt sich weniger allein, wenn man sieht, wie andere Menschen mit Sirenengeheul aufwachen, die gleichen Dinge erleben wie man selbst und darüber lachen, um das Ganze zu entdramatisieren. Viele Ukrainer erzählen jetzt in sozialen Netzwerken von ihrem Alltag und versuchen dabei, leicht und sogar lustig zu bleiben, wie das Opernorchester in Odessa, das vor einer Barrikade vor ihrem Opernhaus das Lied „Don’t worry, be happy“ aufspielte. In Odessa war und ist der 1. April als „Tag des Witzes“ ein offizieller Feiertag.

Auch Wortwitze bekommen jetzt eine wichtige Bedeutung. Die Ukrainer haben den Molotowcocktail in „Bandera smoothie“ umbenannt, um sich über Putin lustig zu machen, der sie als Banderiten bezeichnet, und damit Mitglieder rechtsradikaler und antisemitischer Organisationen meint. 

Wenn man in der Lage ist zu lachen, dann ist man nicht in einem so schlimmen Zustand, dann kann man auch kämpfen. Humor ist auch ein Zeichen von Resilienz. Beispielsweise das Video einer Frau, die einen russischen Soldaten anspricht und ihm sagt: „Nehmen Sie diese Samen und stecken Sie sie in Ihre Taschen, dann wachsen wenigstens Sonnenblumen, wenn Sie hier einmal in der Erde liegen.“ Das ist der schwarze Humor des Krieges.

Seit Putin den Krieg in der Ukraine entfacht hat, verbreiten sich in Russland, um seine Opposition auszudrücken und die Zensur zu umgehen, viele aus der UdSSR bekannte satirische Kurzgeschichten wieder. Etwa: „Moskau hat Kiew angeboten, ein Treffen zwischen Putin und Selenskyj zu organisieren. Inoffiziellen Quellen zufolge haben die Arbeiten für den Bau des Tisches in Form eines ,Z‘ bereits begonnen.“ 

Oder: „Putin ist in der Hölle, während eines Landurlaubs besucht er eine Bar in Moskau, bestellt einen Wodka und erkundigt sich, ob die Krim und die gesamte Ukraine noch ,uns‘ gehören. Beruhigt durch die bejahenden Antworten des Barkeepers fragt er nach der Rechnung. ,Fünf Euro‘, antwortet der Kellner.“ 

Selbst das legendäre Radio Eriwan, das seit der Unabhängigkeit Armeniens still geworden war, scheint in Putins Russland eine Wiedergeburt zu erleben: „Frage an Radio Eriwan: Sollen wir dem Präsidenten Putin von der Lieferung von 5000 Helmen durch Deutschland an die Ukraine Mitteilung machen? Antwort: Nein, auf keinen Fall, er könnte sich totlachen.“ „Frage an Radio Eriwan: Stimmt es, dass das, was in der Ukraine passiert, ein Kampf um die Weltherrschaft zwischen Russland und der NATO ist, und wie ist der Stand in diesem Kampf?“ – „Russland hat 10.000 Soldaten, 100 Kampfflugzeuge und Hubschrauber, 500 Panzer, 1500 gepanzerte Fahrzeuge, drei Schiffe, 230 Geschütze und sechs Generäle verloren. Die NATO hat noch keinen Schuss abgegeben.“ 

Oder auch: „Frage an Radio Eriwan: Stimmt es, dass russische Medien und Influencer heute keinerlei staatlicher Zensur unterliegen?“ - „Im Prinzip, ja ...“