20.05.2024

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Folge 16-22 vom 22. April 2022 / Ukrainekrieg / Litauen befürchtet russische Aggression / Moskau könnte ähnlich wie zur Krim eine Landverbindung zu Königsberg anstreben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-22 vom 22. April 2022

Ukrainekrieg
Litauen befürchtet russische Aggression
Moskau könnte ähnlich wie zur Krim eine Landverbindung zu Königsberg anstreben
Bodo Bost

Litauen, Polen und Lettland haben gemeinsame Grenzen mit den beiden Staaten Weißrussland und Russland. Aber nur Litauen ist vertraglich verpflichtet, durch sein Gebiet den Transit zur russischen Exklave Königsberg zu gewährleisten. Gerade dieser Transit birgt jetzt das Risiko möglicher Provokationen von russischer Seite. Litauen werde seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen und den Personen- und Gütertransit mit der Bahn von Russland in das Königsberger Gebiet und umgekehrt reibungslos und ohne Unterbrechung gewährleisten, verlautete es vom Innenministerium. Die Durchfuhr erfolgt im Einklang mit dem geltenden Abkommen zwischen der EU und Russland von 2002 und den darin festgelegten Verpflichtungen.

Allerdings wurde, um die Transitsicherheit zu erhöhen, nach Kriegsbeginn in der Ukraine beschlossen, die Häufigkeit der Luftbegleitung von Transitzügen zu steigern, die Zahl der Polizeikräfte auf der Transitstrecke zu erhöhen und das Überwachungssystem auf der Transitstrecke auszubauen. Unbefugtes Verlassen von Zügen, Zugfahrten ohne Genehmigung und der Einsatz militärischer Formationen in Zügen sind streng verboten, das will Litauen kontrollieren. Derzeit fahren täglich durchschnittlich vier Züge und etwa 100 Fahrgäste durch Litauen ins Königsberger Gebiet. Vor der COVID-19-Pandemie lag diese Zahl bei 700 Passagieren pro Tag.

Die Bewegung der Transitzüge durch das litauische Hoheitsgebiet wird mit Hilfe von mobilen Objektüberwachungsgeräten kontrolliert. Bei der Einfahrt nach Litauen wird ein spezielles Gerät am Zug angebracht, das die Geschwindigkeit, die Haltestellen und andere Informationen aufzeichnet, die von den Beamten in Echtzeit eingesehen werden. Der militärische Schienentransit durch das litauische Hoheitsgebiet wird vom Bewegungskon-trollzentrum der litauischen Streitkräfte beobachtet, dessen Offiziere die Passagiere bei der Einfahrt des Zuges in Litauen überprüfen und feststellen, ob sich unter ihnen Soldaten befinden. Bei einem außerplanmäßigen Zughalt im litauischen Hoheitsgebiet startet sofort ein Hubschrauber zum Ort des Geschehens.

Kein Gasimport aus Russland

Litauen wird zudem kein russisches Gas mehr importieren, um seinen Inlandsbedarf zu decken. Es ist damit der erste Staat in Europa, der seine Unabhängigkeit von russischen Lieferungen gesichert hat, obwohl das Land bis zum Jahr 2000 100Prozent seines Gases aus Russland bezog. Das gesamte Erdgas für den litauischen Inlandsverbrauch werde nun über das Flüssig-erdgas-Importterminal im Hafen von Memel eingeführt, teilte das Ministerium mit. Litauen bricht „die Energiebeziehungen mit dem Aggressor“ ab. Nur der Gastransport durch Litauen ins Königsberger Gebiet läuft weiter. Wenn Russland Gasverträge mit der EU bricht, könnte Litauen mit einem Gasstopp nach Königsberg antworten. 

Schon im Jahre 2014, als Deutschland gerade mit dem Bau der Nordstream-2- Gaspipeline begann, baute Litauen sein erstes LNG-Terminal in Memel, die damalige Präsidentin Dalia Grybauskaite hatte Russlands „Aggression im Donbass“ als „existenzielle Bedrohung“ für das Land interpretiert, während deutsche Politiker keinen Handlungsbedarf sahen. 

Viele Litauer fürchten, dass Russland auch ihr Land bald angreifen könnte, um über die  „Suwalki-Lücke“ eine Landverbindung über Weißrussland ins Königsberger Gebiet herzustellen, wie es Putin  jetzt in der Ukraine mit der Krim getan hat. Die „Suwalki-Lücke“ ist die nur 100 Kilometer lange polnisch-litauische Grenze. Sie liegt zwischen der hochgerüsteten russischen Exklave Königsberg und dem mit Russland verbündeten Weißrussland.

Tägliche Übungen für den Ernstfall 

Für die Sicherheit im Suwalki-Korridor ist die Litauische Schützen-Union in Schaulen zuständig. Dieser paramilitärische Verband entstand 1919, als Polen die litauische Hauptstadt Wilna besetzte und dem polnischen Staat einverleibte. In der Sowjetzeit war der Verband verboten, und viele seiner Mitglieder landeten im Gulag. Nachdem Litauen seine Unabhängigkeit wiedergewonnen hatte, entstand die Schützen-Union von Neuem – als heute größte zivilgesellschaftliche Organisation Litauens. Die litauischen Schützen üben jetzt täglich für den Kriegsfall und den Kampf als Partisanen.