20.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 16-22 vom 22. April 2022 / Zum Gedenken / Sinnlose Opfer noch kurz vor Ende des Krieges 1945 / Kriegsende bescherte pommerschen Gemeinden zahlreiche Tragödien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-22 vom 22. April 2022

Zum Gedenken
Sinnlose Opfer noch kurz vor Ende des Krieges 1945
Kriegsende bescherte pommerschen Gemeinden zahlreiche Tragödien
K.-H. Engel

Der Zweite Weltkrieg sollte nur noch wenige Tage währen. Und doch forderte er vor allem auch in Vorpommern noch viele Opfer, nicht nur unter den Soldaten, sondern auch unter der Zivilbevölkerung. Es gibt kaum eine Stadt oder Gemeinde, die damals keine Toten zu beklagen hatte. 

Da ist die ehemalige Kreisstadt Demmin zu nennen, die am 30. April 1945 von der Roten Armee eingenommen wurde. Die Soldaten zogen danach einige Tage vergewaltigend, plündernd und brandschatzend durch die Kleinstadt, sodass sich über tausend Einwohner und Flüchtlinge in ihrer Not das Leben nahmen. 

Menschen suchten Freitod

Von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung getrieben, suchten Frauen mit ihren Kindern den Tod in Peene, Trebel und Tollense, drei Flüsse, die die Stadt von Süd über West nach Nord umschließen. Andere öffneten sich die Pulsadern. Erst nach der Wiedervereinigung fand das grauenhafte Kriegsende-Schicksal Demmins mediale Aufmerksamkeit. Ein Obelisk markiert auf dem Friedhof etwa die Mitte des Massengräberfelds. Außerdem weist seit einigen Jahren ein nur dürftig geratener Granitblock auf die unfassbaren Ereignisse hin. Immerhin aber informiert ein knapper Text über das Martyrium. 

Zudem erinnert ein Kreuz an einer anderen Stelle des Friedhofs an die über 400 Kinder, die in jener Zeit an Hunger und Seuchen starben. Doch gibt es, was die Opferzahl betrifft, auch kleinere Kata­strophen, die die ganze Grausamkeit der letzten Kriegstage ebenso deutlich machen. Wer zum Beispiel den Friedhof in Kirchdorf, wenige Kilometer nördlich von Greifswald besucht, wird auf die schlichten Kreuze einer Gräberreihe und einer Gedenktafel aufmerksam. Hier sind am 28. April 1945 23 Jugendliche zumeist aus Greifswald in einem Massengrab beigesetzt worden. Sie waren zwei Tage zuvor durch eine explodierende Panzerfaust ums Leben gekommen. Die jungen Burschen hatten an einer militärischen Ausbildung im benachbarten Wald von Jeeser teilgenommen, um danach bei der Verteidigung von Greifswald gegen die vorrückende Rote Armee eingesetzt zu werden.

Warum die Panzerfaust explodierte, blieb ungeklärt, auch weil der Ausbilder, ein erst 19-jähriger Kriegsversehrter, ebenfalls den Tod fand. Greifswald wurde am 30. April von Stadtkommandant Oberst Petershagen und einigen anderen namhaften Persönlichkeiten, wie dem Rektor der Universität, Professor Engel, kampflos übergeben. Der Hansestadt blieb die Zerstörung, das Schicksal anderer Städte Pommerns, deshalb erspart.

Lange tabu 

Auf dem Kirchhof in Alt Teterin, einem Dorf bei Anklam, erinnert eine Grabplatte an den Tod von 32 Einheimischen und Flüchtlingen, zumeist Frauen und Mädchen, die wiederholt von marodierenden Rotarmisten vergewaltigt und gequält wurden, bis sie in auswegloser Lage den Freitod wählten. Zu DDR-Zeiten war das Ereignis tabu. Die Opfer ruhen namenlos unter dem Rasen des Kirchhofs. Seit 2009 weist eine schlichte Gedenkplatte mit ebenfalls nur kurzem Text auf das unfassbare Geschehen hin. 

In Golchen, einem vorpommerschen Dorf auf einem Plateau über dem Tollensetal, fanden am 29. April 1945 Flüchtlingsfamilien den Tod. Sie hatten sich zum Schutz vor russischem Beschuss in einem Schuppen versteckt. Genau der war dann Ziel einer Granate. Es starben 13 Personen, zumeist Frauen, Kinder und ältere Männer.

Auch das soll Erwähnung finden, obwohl die Stätte des Unglücks einige Kilometer jenseits der pommerschen Grenze im Mecklenburgischen liegt. Genzkow heißt das Dorf, auf das am 16. April 1945 von einem britischen Bomber eine fast fünf Tonnen schwere, wegen ihrer verheerenden Zerstörungskraft gefürchtete Tallboy-Bombe geworfen wurde. Sie traf mitten ins Dorf und tötete 32 völlig ahnungslose Menschen, darunter auf der Straße spielende Kinder. Auf einem schon zu DDR-Zeiten gesetzten Stein ist zwar von einer „amerikanischen Bombe“ und von 30 Toten die Rede. Doch seit einigen Jahren weiß man, dass es sich um einen britischen Bomber handelte, der einem Geschwader angehörte, dessen Angriffsziel das in der Kaiserfahrt südlich von Swinemünde liegende Panzerschiff „Lützow“ war. Die Maschine drehte bei, nachdem sie beschädigt worden war. Der Pilot bekam den Befehl, die Bombe über bebautem Gebiet abzuwerfen. Es traf Genzkow. Neben den 30 Personen, die sofort tot waren, erlagen zwei weitere später ihren Verletzungen.