20.05.2024

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Folge 16-22 vom 22. April 2022 / Agrarprodukt / Wo der Spargel wächst / In Brandenburg gilt Beelitz als „Spargelstadt“ – Gerade hat dort die Ernte des Edelgemüses begonnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-22 vom 22. April 2022

Agrarprodukt
Wo der Spargel wächst
In Brandenburg gilt Beelitz als „Spargelstadt“ – Gerade hat dort die Ernte des Edelgemüses begonnen
Helga Schnehagen

Selten wird ein Ackerbürger aufs Podest gehoben. Doch in Beelitz ehrt ein Denkmal an der Ecke Berliner/Clara-Zetkin-Straße keinen Fürsten, Kriegshelden, Künstler oder Gelehrten, sondern den Glasermeister Carl Friedrich Wilhelm Herrmann, der mit unternehmerischem Spürsinn 1861 als Erster in Beelitz Spargel anbaute. Zu jener Zeit fand man das Edelgemüse nur auf dem Tisch der feinen Gesellschaft. Beim Volk war es nahezu unbekannt. 

Doch das sollte sich ändern. Carl Hermanns Gemüse fand solch einen großen Absatz, dass schon 1870 der erste Spargel auf dem Markt der Stadt verkauft wurde. Von da an war sein Siegeszug nicht mehr aufzuhalten. Auch andere Bauern fingen an, das weiße Stangengemüse anzubauen, sodass bereits kurz nach der Jahrhundertwende 250 Hektar in und um Beelitz mit Spargel bepflanzt waren, 1927 waren es 450 Hektar.

Im Dritten Reich brach der Spargelanbau wegen des zu geringen Nährwerts ein. Zu DDR-Zeiten verlagerte er sich ins Private. Mit der deutschen Einheit erlebte er eine Renaissance. 1991 wurde wieder ein Markt in Beelitz abgehalten, 1993 folgte der erste Auftritt auf der Grünen Woche. Die ganze Geschichte erzählt das Spargelmuseum in der Beelitzer Altstadt. Neben vielen Exponaten und Infotafeln besitzt es sogar eine liebevoll eingerichtete Gründerzeitküche, in der auch gegessen werden kann. 

Spargel ist mit Blick auf den Flächenanteil die bedeutendste Gemüsekultur im Land Brandenburg. Bundesweit ist es mit seinen Anbauflächen in Beelitz, im Spreewald oder in Kremmen (Landkreis Oberhavel) hinter Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Spargelland Nummer drei in Deutschland. Laut Statistischem Landesamt in Brandenburg wurde der Spargel 2021 auf fast 3900 Hektar gestochen. Die Ertragsfläche war zwar um 

100 Hektar kleiner als 2020, doch die Erntemenge auf rund 21.500 Tonnen gestiegen. Das waren 1500 Tonnen beziehungsweise rund acht Prozent mehr als 2020. 

Das Hauptanbaugebiet befindet sich um Beelitz im Landkreis Potsdam-Mittelmark und ist mit 1700 Hektar Mitteldeutschlands größte geschlossene Anbauregion. Seit März 2018 genießt Spargel aus Beelitz sogar besonderen Schutz der EU. Nur weißer und grüner Spargel, der rund um die Stadt angebaut wird, darf das EU-Siegel „geschützte geografische Angaben (g.g.A.)“ tragen.

Auf die Fortsetzung der Erfolgsgeschichte sind die 12.800 Einwohner von Beelitz zu Recht stolz. Ganz offiziell steht seit dem 28. Mai 2013 der Zusatz „Spargelstadt“ vor dem Ortsnamen. Doch damit der Aufmerksamkeit nicht genug. Seit fünf Jahren prägen Schilder „Beelitzer Spargelstraße“ von Trebbin bis zum Kloster Lehnin die Region. Nicht ausschließlich linear angelegt, führen mehrere Abzweigungen bewusst außer zu Spargelhöfen auch durch reizvolle Naturräume. 

Spitzenreiter ist der Spargel- und Erlebnis Hof Klaistow. Mit 800 Hektar allein für den Spargelanbau hat sich das 1990 gegründete Familienunternehmen zum größten Betrieb der Beelitzer Region entwickelt und ist mit zahlreichen Verkaufsständen in Brandenburg und Berlin vertreten. Neben Hofladen, Hofrestaurant, Hofbäckerei, Obst- und Gemüseverkauf bedienen ein Riesen-Spielplatz, Streichelgehege und Kletterwald die Wünsche der Kleinen. Zu Saisonbeginn kostet das Kilo Spargel hier erntefrisch vom Feld 11,97 Euro. Mit Fortschreiten der Saison fallen die Preise in der Regel. 

Spargelfest im Juni

Nicht nur weil sie optisch stören, sondern auch aus Umweltschutzgründen sind die Folientunnel auf den Feldern ein andauerndes Streitthema. Die Abdeckung erhöht bei Sonneneinstrahlung die Temperatur im Spargeldamm und beschleunigt dadurch das Wachstum. Außerdem verhindert sie, dass die weißen Spargelspitzen ans Tageslicht wachsen, sich verfärben und verholzen. 

Um Klarheit zu schaffen, wurde vom Versuchs- und Kontrollring für den Integrierten Anbau von Obst und Gemüse im Land Brandenburg e.V. eine wissenschaftliche Studie initiiert. Diese widerlegt angeblich negative Einflüsse. Eine Forschungsreihe des Leibniz-Instituts für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) in Brandenburg hat gezeigt, dass die Entwicklung von Bodentieren wie Milben und Springschwänzen sowie Mikroorganismen, zum Beispiel Pilze und Bakterien, in zeitweise abgedeckten Spargeldämmen nicht unterdrückt, sondern sogar überwiegend gefördert wird.

Auch eine Reihe weiterer positiver Umwelteffekte wird benannt. So vermindert der Folieneinsatz in der Erntezeit den Bodenabtrag durch Wind auf den sandigen Flächen. Dadurch wird der Verlust von fruchtbarem und aktivem Oberboden verhindert, der die Bodenfruchtbarkeit nachhaltig sichert. Daneben unterdrücken die Folien den Unkrautwuchs auf den Dämmen, was den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich reduziert. 

Nicht zuletzt haben auch die Erntehelfer etwas davon. Da die Erde unter der Folie lockerer bleibt und der Spargel schneller nachwächst, ist die Arbeit der Spargelstecher einfacher und effektiver, was letztendlich auch die Kosten für den Endverbraucher senkt.

Immer am ersten Wochenende im Juni, wenn die Spargelsaison ihren Höhepunkt erreicht hat, wird in Beelitz gefeiert – in diesem Jahr erstmals über vier Tage. Dann wird die historische Altstadt zur Party- und Genussmeile mit großem Markttreiben, offenen Altstadthöfen und Musik auf mehreren Bühnen. Mit über 30.000 Besuchern gehört das Spargelfest nach Meinung der Beelitzer zu den größten und beliebtesten, aber auch schönsten Volksfesten Brandenburgs. Zum ersten Mal fand es vor rund 80 Jahren statt, damals noch als Dankeschön für die Saisonarbeiter, die schon während der ersten großen Blütezeit des Beelitzer Spargels in den 1920er Jahren im Einsatz waren.

Ein Höhepunkt ist der große Festumzug am Sonntagnachmittag: Über 50 bunt geschmückte Festwagen und Gruppen der Beelitzer Vereine, Unternehmen, Kitas und Schulen, begleitet von mehreren Spielmannszügen, bilden einen kunterbunten Korso durch die Altstadt. Vorweg fährt die Spargelpyramide, die Spargelkönigin begleitet den Zug in der Kutsche. In diesem Jahr hat Beelitz noch mehr Unterhaltung zu bieten: Seit dem 14. April ist die Stadt bis zum 31. Oktober Standort der Landesgartenschau.

Spargelmuseum Mauerstraße 12, 14547 Beelitz, April bis September, geöffnet Dienstag und Donnerstag von 11 bis 16 Uhr, Eintritt: 3 Euro, Kinder bis 12 Jahre frei. Tourist-Info: Beelitz, Poststraße 15, Telefon (033204) 39155, www.beelitz.de