20.05.2024

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Folge 16-22 vom 22. April 2022 / RAF / Der Schleyer-Mord und die Stasi / Georg Bönisch und Sven Röbel verfolgen die Spur eines verschwundenen Fernschreibens, mit dem das Verbrechen hätte verhindert werden können

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-22 vom 22. April 2022

RAF
Der Schleyer-Mord und die Stasi
Georg Bönisch und Sven Röbel verfolgen die Spur eines verschwundenen Fernschreibens, mit dem das Verbrechen hätte verhindert werden können
Friedrich-W. Schlomann

Im Sommer 1967 bildete sich in West-deutschland die „Rote Armee Fraktion“, deren Ziel die Umwälzung des „kapitalistischen Staates“ und des „US-Imperialismus“ war. Ihre bewaffnete Gruppe erhielt eine Ausbildung in der jordanischen Wüste. Beim Rückflug ließen Stasi-Kontrolleure deren Waffen unbeanstandet, und prahlten sogar mit ihrem Wissen über Palästinenserlager. Vor einer nur intern geplanten Razzia gegen die RAF im Raum Köln war zuvor dem-„Deutsche Freiheitssender“ aus der DDR eine Warnung für DDR-Spione gemeldet worden. 

1976 nahmen RAF-Terroristen den deutschen Arbeitgeberpräsidenten Hans-Martin Schleyer ins Visier, dem ihre Ausbilder Betriebsgeheimnisse entlocken wollten. Schleyer wurde irgendwo in Nordfrankreich exekutiert.

Ab dem 2. September 1977 war Schleyer von der RAF observiert worden, und drei Tage später entführte sie ihn im Kofferraum eines Mercedes. „Die ersten so wichtigen Stunden verstrichen ungenutzt im Chaos verschiedener Ämter“, beklagen die Autoren: Erst nach 17 Minuten wurde das BKA informiert, dessen Beamte nach zwei Stunden eintrafen. Die Einsatzleitung erfolgte erst nach Mitternacht.

Am 9. September erging vom Kreishaus in Hürth das Fernschreiben 827 mit Plänen für schlagartige Untersuchungen, doch seine Spur zum Koordinierungsstab verlor sich. Anderenfalls hätte Schleyer vielleicht gerettet werden können. Indes wurde das Ermittlungsverfahren „mit bedenklicher Nachlässigkeit“ geführt, bald wurde es eingestellt. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR fürchtete bei den Fahndungsmaßnahmen eine Enttarnung seiner Spione. Das Verschwinden des Fernschreibens bedeutete einen Schutz für sie.

In Köln dachte man als Ursache an alles Mögliche, nur nicht an Stasi-Spionage. Tatsache ist jedoch: Inge Schneider, eine bewährte DDR-Agentin, war 14 Jahre lang Fernschreiberin im NRW-Landeskriminalamt. In dieser Position konnte sie Fahndungen nach Ost-Spionen frühzeitig erkennen und so manche Festnahme verhindern. „Unter ständig persönlich gefährdetem Einsatz“, wie es lobend in ihrer MfS-Beurteilung hieß. Ost-Berlin bedachte sie mit höchsten Auszeichnungen. Außerdem honorierte man sie mit über insgesamt 800.000 Mark.

Zehn RAF-Terroristen flohen in die DDR, wo man sie für den Aufbau einer Stadt-Guerilla im Westen ausbildete. Bereits 1980 informierte der Bundesnachrichtendienst das Bonner Kanzleramt, doch wollte man dies „nicht hören“. Wer wo Schleyer ermordete, ist bis heute unklar. Die Mordwaffe wurde nie gefunden.

Georg Bönisch/Sven Röbel: „Fernschreiben 827“, Greven Verlag, Köln 2021, Taschenbuch, 208 Seiten, 18 Euro