20.05.2024

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Folge 16-22 vom 22. April 2022 / Für Sie gelesen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-22 vom 22. April 2022

Für Sie gelesen

Der Mensch ist schlecht

„Nur wer zwischen allen Stühlen sitzt hat festen Boden unter dem Hintern.“ Ob Herbert Gruhl bei dieser Formulierung an seinen eigenen Weg dachte? Er kämpfte für Umweltschutz und ökologisches Bewusstsein, als dies politisch noch kaum Themen waren. Zeitlebens hat er sich mit den Parteien überworfen, in denen er engagiert war, nicht nur mit der CDU, auch mit den Grünen und der ÖDP. „Passen“ wollte er mit seinem Weltbild nirgendwo ganz. So sehr ihm die natürlichen Ressourcen am Herzen lagen, so wenig war er ein Linker. 

Der 1993 verstorbene Gruhl, der im letzten Herbst seinen 100. Geburtstag begangen hätte (die PAZ berichtete), publizierte umfassend. Er zitierte nicht nur gern Aphorismen, sondern verfasste selbst welche. Bis vor Kurzem nur in Form eines nachgelassenen Zettelkastens existent, liegen sie nun in Form eines kleinen Bandes vor. Der Journalist Konrad Adam betont im Vorwort, die Aphorismen seien zu einer Zeit geschrieben, die noch „an ständige Innovationen, ewiges Wachstum und den immerwährenden Fortschritt glaubte“. 

Gruhl widersprach dieser Sicht, an Selbstbewusstsein mangelte es ihm nicht: „Nietzsche war der Zertrümmerer alter Wertetafeln. Ich bin der Zertrümmerer aller Hoffnungen.“ Ein arg schlechtes Bild von den Menschen hatte er, seiner Meinung nach zerstörten sie ihre Lebensgrundlagen und damit auch sich selbst. Die Unterscheidung von Optimist und Pessimist hielt er einfach für „dumm“, richtig seien stattdessen die Begriffe Utopist und Realist. Und Gruhl betrachtete sich als Realist. So kreidete er etwa den Menschen an, dass sie annehmen, „hinter der ganzen Welt müsse doch eine Absicht verborgen liegen, die zu erkunden sei“. Oder er fragte, woher die „absurde Vorstellung“ käme, dass es „eine endgültig eingerichtete Welt geben könne“. Die „Weltverbesserer“ besorgten den Untergang der Welt. Die Natur habe „unzählige Versuche mit Arten unternommen, die sich als Sackgasse erwiesen“. Der bei Weitem „großartigste Versuch“ sei „die Sackgasse Mensch“. Der Mensch nehme „Unrecht gern hin,“ sofern er Nutzen davon habe. Nur wenn es ihm schade, schreie er nach Gerechtigkeit.

Gerechtigkeit war für Gruhl „eine schöne Erfindung des Menschen“, die die Natur nicht kenne. Und Freiheit sei „nur für außergewöhnliche Menschen ein erstrebenswertes Ziel“. Hingegen brauche wohl jeder Mensch eine Heimat, doch heute fühle er sich überall fremd, „und nun kommen die Fremden auch noch in sein Haus – das hält er nie aus“. Die modernste Form „des deutschen Rassenhasses“ sei „der Hass gegen das eigene Volk“. An der Bewältigung ihrer Vergangenheit würden die Deutschen noch arbeiten, „wenn die Zukunft schon vorüber ist“. 

Die wenigen Beispiele mögen genügen, um zu zeigen: Gruhls Aphorismen geben bei Weitem nicht nur Einblick in sein eigenes, mitunter sehr düsteres Denken. Mit einer großen Anzahl seiner vor Jahrzehnten zu Papier gebrachten Gedanken erscheint er erstaunlich aktuell. Erik Lommatzsch

Herbert Gruhl: „Aphorismen. Menschliches, Ökologie und Politik“, Gerhard-Hess-Verlag, Bad Schussenried 2021, broschiert, 73 Seiten, 12,90 Euro