Neben immer höher werdenden Behandlungskosten sind nun auch die Kosten für Arzneimittel stark angestiegen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen fordert nun ein Eingreifen der Politik. „Für Grundnahrungsmittel wie Brot und Butter werden sieben Prozent Mehrwertsteuer berechnet, für oftmals lebenswichtige Medikamente müssen die Krankenkassen dagegen die vollen 19 Prozent bezahlen. Das ist schlicht nicht nachvollziehbar“, sagte Stefanie Stoff-Ahnis vom Vorstand des GKV-Spitzenverbandes. Der Ausgabenanstieg bei Arzneimitteln habe im vergangenen Jahr mit fast acht Prozent rund ein Drittel über dem durchschnittlichen Anstieg aller Leistungsausgaben der Krankenkassen gelegen. „Eine Absenkung wäre ein klares sozialpolitisches Signal und würde die Beitragszahlenden der Krankenkassen um rund sechs Milliarden Euro im Jahr entlasten“, erklärte Stoff-Ahnis weiter.
Senkung der Besteuerung
Ein weiterer Schritt um eine weitere Kostenexplosion zu verhindern, sei eine Preis-Bremse für neu zugelassene Medikamente. Im Moment können die Hersteller für das erste Jahr nach der Zulassung den Preis beliebig festsetzen, unabhängig davon, wie hoch der zusätzliche Nutzen für die Patienten ist. Erst ab dem zweiten Jahr verhandeln Unternehmen und Kassen über den sogenannten Erstattungspreis. „Der am Nutzen für die Patienten orientierte gemeinsam verhandelte Preis muss ab dem ersten Tag und nicht erst nach vielen Monaten gelten. Einseitige und zum Teil willkürliche Preisfestsetzungen für lebenswichtige Medikamente sind weder sozial gerecht noch passen sie zur sozialen Marktwirtschaft“, sagte Stoff-Ahnis.
Preis-Bremse
Den gesetzlichen Krankenkassen fehlen voraussichtlich für das kommende Jahr rund 17 Milliarden Euro. Um diese Finanzierungslücke zu schließen, plant Gesundheitsminister Karl Lauterbach unter anderem eine Anhebung der Versichertenbeiträge. „Wir müssen an vier Stellschrauben drehen: Effizienzreserven im Gesundheitssystem heben, Reserven bei den Krankenkassen nutzen, zusätzliche Bundeszuschüsse gewähren, und die Beiträge anheben“, sagte Lauterbach der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Erhöhung des Bundeszuschusses
Die bis zum vergangenen Herbst regierende Große Koalition musste bereits das laufende Jahr mit einem Rekord-Zuschuss von 28,5 Milliarden Euro absichern, um einen höheren durchschnittlichen Zusatzbeitrag für die Versicherten zu vermeiden. Dieser liegt aktuell bei 1,3 Prozent. Um welchen Prozentsatz die Beiträge nun steigen sollen, ließ Lauterbach offen: „Es wäre unprofessionell, würde ich Ihnen hier aus den laufenden Gesprächen berichten.“
Der GKV-Spitzenverband hat ein zügiges Handeln gefordert. Deutschland habe ein weltweit viel beachtetes Gesundheitssystem, die Grundvoraussetzungen seien gut. „Die zentrale Herausforderung der Arzneimittelpolitik ist es einerseits, die laufende Versorgung mit bewährten Arzneimitteln zu erhalten und den Zugang zu echten Innovationen zu bewahren, und andererseits, die Finanzierbarkeit der Arzneimittelversorgung auch in Zukunft sicherzustellen“, sagte Stoff-Ahnis und fügte hinzu: „Deutschland ist ein starker Pharmastandort.“ Der Weg von der Zulassung bis zur praktischen Verfügbarkeit neuer Medikamente werde in keinem EU-Land schneller zurückgelegt als hierzulande: „Es muss das Ziel sein, dass das so bleibt“, erklärte sie weiter.
Beitragserhöhungen
Die starke finanzielle Belastung hängt auch mit Lieferschwierigkeiten infolge der Corona-Pandemie zusammen. Sie hat aber auch tiefergehende Wurzeln, unter anderem den demographischen Wandel. Seit Längerem deutet sich ein Ende der zuletzt jahrelang steigenden Beitragseinnahmen ab, weil die Zahl der Beschäftigten nicht mehr steigt, sondern mittelfristig sinken wird.
Doch um eine Erhöhung der Beiträge gibt es bereits jetzt Diskussionen. „Die richtige und gerechte Lösung ist die Erhöhung des Bundeszuschusses“, sagt Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warnte vor zusätzlichen Belastungen für Unternehmen und Bürger durch die Folgen des
Ukrainekrieges. „In einer solchen Situation höhere Sozialbeiträge für Arbeitgeber und Beschäftigte anzukündigen, wird diesen Herausforderungen nicht gerecht.“