19.05.2024

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Folge 17-22 vom 29. April 2022 / Kreis Labiau / Auf unserem Storchenhof in Reikeningken / Kindheitserinnerungen eines Reinkeningkers an die Freude über die Rückkehr von Meister Adebar im Frühling

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-22 vom 29. April 2022

Kreis Labiau
Auf unserem Storchenhof in Reikeningken
Kindheitserinnerungen eines Reinkeningkers an die Freude über die Rückkehr von Meister Adebar im Frühling

Unser Hof, der nur wenige Kilometer vom Kurischen Haff und gleich neben den Deimewiesen lag, galt als der Storchenhof. Es befanden sich 15 Storchennester auf den verschiedenen Wirtschaftsgebäuden. Das war für uns ein unvergessliches Naturerlebnis, eng mit der Jugendzeit verknüpft. Alle Familien, die zum Hof gehörten, waren mit Kinderreichtum gesegnet.

Ein Ehepaar war dabei, das mit Stolz seine 16 Kinder mit dem täglichen Brot versorgte. Wahrscheinlich waren es diese Kinder, die vor Freude bei der jährlichen Wiederkehr des Adebars stets riefen: „Storch, Storch guter, bring mir einen Bruder; Storch, Storch bester, bring mir eine Schwester!“ Und Wilhelm Busch meinte dazu: „Wo kriegten wir nur die Kinder her, wenn Meister Klapperstorch nicht wär?“ 

Mit Schmunzeln könnte man meinen, in Reikeningken haben diese Rufe absolut gewirkt. In jedem Frühjahr wurden die Störche schon sehnsüchtig erwartet und im Verlauf des Sommers gab es auch immer wieder spannende Geschehnisse um Meister Adebar und seine Familie. Im Sommer 1939 waren wieder zwei Mann von der Vogelwarte Rossitten zu uns nach Gut Reiken gekommen, um die vielen Jungstörche zu beringen, bevor sie mit ihren Flugübungen begannen. Mein Bruder Paul und ich versuchten, bei dieser Tätigkeit möglichst nah dabei zu sein. Nicht nur, weil wir die Störche liebten, sondern auch weil diese Fachleute aus Rossitten so manches Neue aus der Vogelwelt zu erzählen wussten. Sie sagten auch, dass unser Hof mit ziemlicher Sicherheit der größte Storchenhof von Ostpreußen und auch wahrscheinlich von Deutschland sei. 

Wir auf Gut Reiken waren schon stolz auf die 13 bis 15 besetzten Storchennester. In jedem Nest wurden drei bis vier Jungstörche aufgezogen. So konnte man im Juli/August bis zu 90 Störche auf unserem Hof zählen. Leider kam es auch vor, dass bei den Flugübungen der Jungstörche durch eine unglückliche Windböe einer das Nest verfehlte und verletzt zu Boden ging. Paul und ich standen bei solchen Patienten stets als Sanitäter und Helfer bereit. In diesem Jahr war es Hansi, so nannten wir unseren Patienten, für den wir die Patenschaft übernahmen.

Sorgen um Hansi

Auf Wiesen und Äckern waren ausreichend Frösche für Hansi zu finden. Selbst geangelte Fische aus der nahen Deime ergänzten die Nahrung. Auf dem zwei Meter hohen Kaninchenstall bauten wir ihm ein Nest, welches er auch annahm. Recht bald konnte er auch wieder seine Flügel bewegen und es dauerte nicht lange, bis er das Fliegen lernte. Damit wir Hansi gut erkennen konnten, bekam er ein Stück Bindfaden an das Bein gebunden.

Etwa alle 14 Tage kam auch ein Fischer aus Haffwinkel und brachte einige Zentner frischen Kleinfisch zum Füttern der Schweine. Dann tat auch Hansi sich gütlich daran. 

Um den 28. August versammelten sich alle Störche und verabschiedeten sich nach dem Süden. Hansi war nicht dabei. Aber eine Woche später war er auch fort. Wir hatten arge Bedenken, ob er den Weg auf seinem ersten weiten Flug in den Süden auch finden würde.

Im darauffolgenden Frühjahr waren wir schon besorgt. Hansi kam nicht zurück! Doch im Frühjahr 1941 erblickten wir unter den ersten zurückgekehrten Störchen auch unseren Hansi, sein Erkennungszeichen, das Bändchen, hatte er noch am Bein. Welche Freude! Es war also richtig, dass Jungstörche erst nach zwei Jahren zurückfliegen.Klaus Lemkeaus: „Störche in unserem Heimatland“ 

Von tohus, Sonderheft 2018