Die von Herzog Julius (1528–1589) für seine Büchersammlung 1572 erlassene „Liberey-Ordnung“ gilt als Gründungsdokument der Wolfenbütteler Bibliothek. Der weltberühmte Büchertempel bewahrt eine der bedeutendsten Kollektionen mittelalterlicher Handschriften, die umfangreichste Sammlung von Luthers Druckschriften und eine der größten Kollektionen von Künstlerbüchern des 20. und 21. Jahrhunderts. Die ehemalige Hofbibliothek versteht sich heute als internationale Forschungs- und Studienstätte für europäische Kulturgeschichte. Höhepunkt der Veranstaltungen, mit denen die Bibliothek ihr 450-jähriges Bestehen feiert, ist die Sonderausstellung „Wir machen Bücher“.
Zu sehen ist sie im 1883 bis 1886 errichteten prunkvollen Hauptgebäude der Bibliothek. Ihr Namensgeber ist Herzog August der Jüngere, der ab 1635 das Fürstentum Wolfenbüttel regierte. Über ihn berichtet der heutige Bibliotheksleiter Peter Burschel: „Als der Herzog 1666
hochbetagt starb, hinterließ er über 30.000 Bände mit 135.000 Schriften und über 2500 Manuskripte und damit ein Bücherhaus, das es an Größe und Bedeutung durchaus mit der Kaiserlichen Bibliothek in Wien aufnehmen konnte.“ Die Büchersammlung von Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel aber war seit 1618 im Besitz der Universität Helmstedt. Nach deren Auflösung 1810 wurde sie an die Wolfenbütteler Herzog August Bibliothek überwiesen.
Die so gut wie vollständig auf uns gekommenen Bücherschätze Herzog Augusts sind im Hauptgebäude untergebracht. In der eindrucksvollen Augusteerhalle steigen die Reihen der zumeist in Pergament gebundenen Bände an den Wänden sieben Meter hoch auf. Der Herzog ordnete seine Sammlung beginnend mit Theologie, Geschichte und Arithmetik nach 20 Fachgebieten. Gemäß der Vorliebe Augusts sind sie innerhalb der Fachgebiete nach Größenmaßen sortiert: die voluminösesten Bücher stehen unten, die kleinsten ganz oben.
Vor diesen monumentalen Bücherwänden befinden sich die ersten zwölf Vitrinen der Sonderschau. Sie demonstriert, dass die Bibliothek mehr ist als Speicher und Bühne des Wissens, denn sie bedingt und befördert die Entstehung neuer Bücher. Kurator Hole Rößler erklärt: „Die Geschichte der Bibliothek ist die Geschichte der Bücher, die aus ihr hervorgegangen sind.“ Das veranschaulicht bereits das erste Buch der Ausstellung: Die von Herzog August verfasste „Evangelische Kirchen Harmonie“ (1646).
Für seine Zusammenfassung der vier Evangelien nutzte der Herrscher viele Werke der nach ihm benannten Bibliothek. Das sicher bekannteste Buch, das aus Lesestudien in der Bibliothek hervorgegangen ist, schrieb Gotthold Ephraim Lessing: „Nathan der Weise“ (1779). Lessing leitete damals die Herzog-August-Bibliothek. Sein berühmtester Vorgänger war der Philosoph und Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz.
Bibliothek im Briefmarkenformat
Im begehbaren Tresor wartet die Sonderschau mit einzigartigen Preziosen auf. Seit vielen Jahren erstmals wieder ausgestellt ist das um 1188 im Benediktinerkloster Helmarshausen geschaffenen Evangeliar Heinrichs des Löwen und Mathildes von England. Das mit außerordentlich qualitätsvollen ganzseitigen Miniaturen ausgestattete Evangeliar gehört zu den Höhepunkten mittelalterlicher Buchmalerei – und ist eines der kostbarsten bibliophilen Schätze der Welt. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Bundesrepublik, die Länder Bayern und Niedersachsen ersteigerten es im Bündnis mit privaten Geldgebern 1983 auf einer Auktion in London für 32,5 Millionen Mark. Aufgeschlagen sind die Miniaturen der Geißelung und Kreuzigung Christi. Es wird nur bis zum 17. Mai präsentiert.
Dass die Herzöge Julius und August Lutheraner waren, spiegelt sich in der Sammlung wider. August kaufte 1640 das Exemplar eines Psalters an, den Martin Luther 1513 anlässlich seiner Psalmenvorlesungen für sich und seine Studenten drucken ließ. Beim Wolfenbütteler Psalter handelt es sich um Luthers Handexemplar, in das er mit der Feder seine Auslegungen des Bibeltextes notiert hat. Aber auch Kuriositäten wie das Tintenfass, mit dem Luther auf der Wartburg nach dem Teufel geworfen haben soll, sind zu entdecken.
Dem Fehlerteufel verdankt die kleinformatige „Ehebrecherbibel“ (1731) ihren Namen. Auf Seite 102 lesen wir das verblüffende Gebot: „Du solt ehebrechen.“ Die Ehebrecherbibel ist eine Rarität, da sie nach Entdeckung des Druckfehlers schnellstens aus dem Verkehr gezogen wurde. In einer anderen Vitrine sind 18 Bibeln wie die Orgelpfeifen der Größe nach aufgereiht. Die meisten stammen aus der berühmten, 1161 Bibeln umfassenden Sammlung der Herzogin Elisabeth Sophie Marie.
Wenige Bücher weiter liegt „Der Edelstein“, 1461 aus einer Bamberger Druckerei hervorgegangen. Die handschriftliche Vorlage dieser Fabelsammlung verfasste der wahrscheinlich dem Dominikanerorden angehörende Ulrich Boner nach 1350. Über die mit farbenprächtig ausgemalten Holzschnitten illustrierte Kostbarkeit sagt Rößler: „Nur in Wolfenbüttel gibt es ein vollständiges Exemplar dieses ersten gedruckten Buches in deutscher Sprache.“
Auch dem Bundesministerium der Finanzen ist die Wolfenbütteler Bibliothek lieb und teuer. Zum 450. Jubiläum brachte sie eine Sonderbriefmarke heraus. Als Motiv ist August II. hinter einem Stapel von Büchern zu sehen. Wert: 195 Cent.
Wir machen Bücher Ausstellung bis 3. Juli im Hauptgebäude der Herzog August Bibliothek, Lessingplatz 1, Wolfenbüttel, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, Eintritt: 5 Euro, Telefon (05331) 808203, Internet: www.hab.de