23.04.2024

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Folge 18-22 vom 06. Mai 2022 / Familiengeschichte / Was die Habsburger mit der Ukraine verbindet / Die Bindungen zwischen der Dynastie und dem Land reichen von den polnischen Teilungen bis zur Gegenwart

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-22 vom 06. Mai 2022

Familiengeschichte
Was die Habsburger mit der Ukraine verbindet
Die Bindungen zwischen der Dynastie und dem Land reichen von den polnischen Teilungen bis zur Gegenwart

Als im Jahre 1772 Lemberg infolge der sogenannten ersten Teilung Polens zum Habsburgerreich kam, konnten die Habsburger dort bereits auf alte deutsche Traditionen aufbauen. 200 Jahre lang, von 1349 bis 1549 hatte die 1256 von den Kiewer Rurikiden gegründete Festung unter polnisch-litauischer Herrschaft deutsches Stadtrecht mit Deutsch als Amtssprache. In den rund eineinhalb Jahrhunderten bis zum Ersten Weltkrieg und dem Zerfall Österreich-Ungarns, in denen Lemberg und Czernowitz zu Österreich gehörten, blühte das kulturelle und kirchliche Leben in diesem Landesteil auf. Czernowitz wurde zu einem Mekka deutscher Literatur, der Geburtsort von Paul Celan brachte mehr deutschsprachige Dichter von Weltruf hervor als die meisten anderen Städte. 

Um Russland zu schwächen und die Herzen der Ukrainer für die Mittelmächte zu gewinnen, hegten die Habsburger während des Ersten Weltkrieges Pläne, aus der Ukraine eine eigene Monarchie zu machen. Erzherzog Wilhelm von Habsburg-Lothringen, ein Vetter des letzten österreichischen Kaisers Karl I., war während des Ersten Weltkrieges informeller habsburgischer Thronkandidat für ein mittelmächtefreundliches ukrainisches Fürstentum. 

Als sich diese Pläne mit der Kriegsniederlage zerschlugen, bildete er aus der Ukrainischen Legion, einem kurz nach Beginn des Krieges vorerst als Freiwillige Ukrainische Schützen gebildeter Kampfverband der Doppelmonarchie, die Elitetruppe der ukrainischen Nationalisten, mit denen er gegen die Bolschewisten für eine unabhängige Ukraine kämpfte. Sein engster Freund und Berater war der Metropolit der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, Andrej Scheptyzkyj. 

Als der Kampf der Nationalisten 1920 vorerst scheiterte, zog sich Wilhelm von Habsburg zunächst nach München zurück. In München eröffnete er ein Agitationsbüro und warb unter den Exilukrainern in Deutschland Freiwillige für eine Befreiungsarmee. Nach der Verbesserung der deutsch-sowjetischen Beziehungen durch den 1922 geschlossenen bilateralen Vertrag von Rapallo wurde Wilhelms ukrainische Freiwilligenarmee aufgelöst. 

Danach lebte er nacheinander in Spanien, Paris und Wien, wo er im Zweiten Weltkrieg als Doppelspion tätig war. Das wurde ihm nach dem Kriegsende zum Verhängnis. 1947 wurde er in der von den Alliierten besetzten österreichischen Hauptstadt vom sowjetischen Geheimdienst entführt und in die Ukraine gebracht, wo er gemäß dem aktuellen Forschungsstand im darauffolgenden Jahr an einer von den Sowjets nicht behandelten Tuberkulose im Krankenhaus des Lukjaniwska-Gefängnisses starb. Der Habsburger gilt heute als ukrainischer Nationalheld, viele ukrainische Städte haben ihm Denkmäler gesetzt. 

Auch der letzte habsburgische Kronprinz, Otto von Habsburg, hatte eine besondere Beziehung zur Ukraine. Als Mitglied des Europaparlamentes für die CSU von 1979 bis 1999 sorgte er zwei Jahrzehnte lange dafür, dass dort ein Stuhl leer blieb für die Vertreter der unterdrückten Völker Osteuropas. Der Präsident der Paneuropaunion war als Mitinitiator und Schirmherr des Paneuropäischen Picknicks an der österreichisch-ungarischen Grenze im Sommer 1989 an der Vorbereitung des Falls des Eisernen Vorhangs beteiligt. Im Januar 1990 war er bei den Demonstranten, die in Dresden das Stasi-Gebäude stürmten, aber vor dem benachbarten KGB-Hauptquartier von dem KGB-Offizier Waldimir Putin mit einem Bluff abgeschreckt wurden. 

Damals hatte Putin mit dem Einsatz schwer bewaffneter Soldaten gedroht, die es gar nicht gab. Seit damals warnte von Habsburg unermüdlich auch als Journalist bis zu einem Tod 2011 vor Putin und dessen Tricks.

In Otto von Habsburgs Tradition stehen heute seine beiden Kinder Gabriela und Karl. Seine 1956 in Luxemburg geborene vierte Tochter warnte als georgische Botschafterin in Deutschland von 2009 bis 2013 unzählige Male vor Putin. 

Sein 1961 in Berg am Starnberger See geborener ältester Sohn betreibt seit einigen Jahren in der Ukraine den Radiosender „Radio Krajina“, mit dem der Beitritt des Landes in die EU und die NATO vorbereitet werden soll. Seit Beginn des Krieges am 24. Februar verlegte er den Sitz des Senders aus Kiew heraus an einen sichereren Ort. Putin hält er für einen Kriegsverbrecher. Auch hält der ehemalige Kampfpilot die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geforderte Einrichtung einer Flugverbotszone für rechtlich möglich und aus humanitärer Sicht sogar für notwendig. 

Insgesamt habe Russland die Lage in der Ukraine eindeutig falsch eingeschätzt und erwartet, von den russischsprachigen Ukrainern begeistert empfangen zu werden. Doch nur wegen der gemeinsamen Sprache fühle man sich noch nicht als Russe, so wie sich Österreicher oder Elsässer heute wegen ihrer deutschen Sprache noch lange nicht als Deutsche fühlten. Der Ukrainekrieg habe dazu geführt, dass russischsprachige Bewohner der Ukraine zu passionierten Ukrainern geworden seien, behauptete Karl von Habsburg in einem Interview mit dem Wiener „Kurier“.

Bob (Siehe auch Seite 22)