20.04.2024

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Folge 18-22 vom 06. Mai 2022 / Keramiken / Ganz zerbrechliche Kunst / Von den Chinesen inspiriert – Das weltberühmte Delfter Porzellan, das in Wahrheit kein Porzellan ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-22 vom 06. Mai 2022

Keramiken
Ganz zerbrechliche Kunst
Von den Chinesen inspiriert – Das weltberühmte Delfter Porzellan, das in Wahrheit kein Porzellan ist
Silvia Friedrich

Es gibt viele Gründe, die niederländische Universitätsstadt Delft in der Provinz Südholland zu besuchen. Einer davon ist mit Sicherheit, dem Delfter Porzellan auf die Spur zu kommen. Doch gleich zu Beginn muss darüber aufgeklärt werden, dass es sich hierbei gar nicht um Porzellan handelt. Die Delfter Töpfer nannten ihre Waren zwar so, jedoch war es nur eine günstigere Version des echten chinesischen Porzellans.

Das sogenannte Goldene Zeitalter war für die Niederlande im 17. Jahrhundert wirtschaftlich und kulturell eine 100-jährige Blütezeit. Neben Großmeistern wie Rubens, Rembrandt, Vermeer oder Frans Hals sollen in diesem Zeitraum schätzungsweise an die 700 Maler tätig gewesen sein, die jährlich an die 70.000 Gemälde erstellten. Wirtschaftlich galt unser Nachbarland seinerzeit wegen seiner Überseekolonien noch vor den Briten, Franzosen oder Spaniern als stärkste europäische Macht. 

Die Niederländer waren auf allen Weltmeeren unterwegs, und die Schiffe der Vereinigten Ostindischen Kompanie und der Niederländischen Westindien Kompanie liefen fortwährend Standorte in Asien, Amerika und Südafrika an. Durch dieses breitgespannte Handelsnetzwerk kamen auch die bei Adligen und reichen Leuten sehr beliebten chinesischen Porzellanwaren ins Land. Da die Nachfrage größer als das Angebot war, suchten niederländische Keramikhersteller nach einer günstigeren Alternative.

Das echte chinesische Porzellan wurde mit Kaolin, auch Porzellanerde genannt, einem weißen, feinen Gestein hergestellt, dass zu damaliger Zeit in Europa nicht einfach zu beschaffen war. So entstanden bei dem Versuch, mithilfe eines anderen Tons chinesisches Porzellan zu kopieren, die weltberühmten Delfter Steingutwaren. Der Ton wurde nach dem Brennen mit Zinnglasur überzogen. Das typische Blau entsteht dabei erst durch chemische Reaktionen beim Backvorgang. Beim handbemalten Auftragen ist die Farbe, die größtenteils aus Kobaltoxid besteht, noch schwarz. 

Zudem versuchte man mit Farben zu experimentieren, was besonders schwierig war bei Rottönen oder Vergoldungen. Zwar ahmten die Hersteller zunächst die chinesischen Bemalungen nach, probierten aber bald auch eigene niederländische Abbildungen und schufen so eine historisch interessante, eigene künstlerische Darstellung ihres Lebensumfeldes. Daneben wurden extravagante Formen bald typisch für die Delfter Steingutware, wie die berühmten Tulpenvasen.

Nur Royal Delft blieb übrig

Im 17. Jahrhundert siedelten sich über 30 Keramikhersteller an den Delfter Grachten an. Von diesen ist nur die 1653 gegründete Firma „De porceleyne Fles“, auch bekannt unter dem Namen „Royal Delft“, übriggeblieben, denn zum Leidwesen der Kunsthandwerker ist das Delfter Steingut aus der Mode gekommen. 

Es gibt jedoch noch zwei Werkstätten jüngeren Gründungsdatums. Eine davon ist „De Candelaer“, die seit 1975 auf traditionelle Weise die berühmten Waren herstellt. Der Betrieb befindet sich ganz in der Nähe des historischen Marktplatzes, der nicht nur aufgrund seines 400-jährigen, imposanten Rathauses im Renaissance-Stil jeden Besucher zum Verweilen einlädt, sondern auch wegen der hübschen Häuser rundherum, der kleinen Läden und des bunten Treibens der Händler, die hier ihre Waren feilbieten.

Gleich um die Ecke wohnte und lebte der berühmteste Sohn der Stadt, der Maler Johannes Vermeer van Delft, der 1632 geboren wurde und sein gesamtes Leben hier verbrachte. Delft ist eine hochmoderne niederländische Stadt mit einer der wichtigsten technischen Universitäten des Landes, und dennoch wirkt das Städtchen mit seinen prächtigen Häuschen und den Grachten an manchen Ecken so verwinkelt und charismatisch, wie Vermeer es sicher selbst erlebt hat und in seinem berühmtesten Gemälde, der Stadtansicht von Delft 1660/61, auf die Leinwand brachte. 

Dem prunkvollen Rathaus gegenüber befindet sich die Nieuwe Kerk, die Neue Kirche. Diese wurde seit dem 16. Jahrhundert, als man 1584 an diesem Ort den „Vater des Vaterlandes“, Wilhelm von Oranien, zur letzten Ruhe bettete, auch zur letzten Ruhestätte der Mitglieder des Königshauses der Niederlande. 2002 setzte man hier Prinz Claus und 2004 Königin Juliana und Prinz Bernhard bei.