26.04.2024

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Folge 19-22 vom 13. Mai 2022 / Russland-politik / Die Sanktionen des Westens verfehlen bislang ihr Ziel / Hohe Exporteinnahmen und Ersparnisse – Russland kann es sich auch langfristig leisten, einem Embargo von USA und EU zu trotzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-22 vom 13. Mai 2022

Russland-politik
Die Sanktionen des Westens verfehlen bislang ihr Ziel
Hohe Exporteinnahmen und Ersparnisse – Russland kann es sich auch langfristig leisten, einem Embargo von USA und EU zu trotzen
Manuela Rosenthal-Kappi

Mit dem gerade beschlossenen sechten Sanktionspaket gegen Russland versucht die EU, Putins Regierung bis ins Mark zu treffen. Mit einem weitgehenden Ölembargo will Brüssel verhindern, dass Russland sein Öl in Drittstaaten exportiert. Ob diese Rechnung aufgeht, wird sich jedoch erst langfristig zeigen. 

Bei den bisherigen Sanktionen hat sich die damit verbundene Hoffnung, dass die Bevölkerung wegen der wirtschaftlichen Einschnitte Präsident Putin die Unterstützung entziehen würde oder es gar zu einem Umsturz kommen könnte, nicht erfüllt. Im Gegenteil: Laut aktuellen Umfragen unterstützen 80 Prozent der Russen ihren Präsidenten weiterhin. 

Dabei zeigen die Maßnahmen grundsätzlich bereits Wirkung: Die Exporte sind seit Jahresbeginn um 30 Prozent, die Importe um 35 und die Investitionen in Russland um 17 Prozent gefallen. Laut Finanzminister Anton Siluanow beträgt das Defizit im Staatshaushalt 20,4 Milliarden Euro.

600.000 Russen befinden sich derzeit im Zwangsurlaub und müssen mit ihrer Entlassung rechnen. In erster Linie handelt es sich um Angestellte ausländischer Unternehmen. Betroffen ist auch der Automobilmarkt. Schon seit Beginn der Corona-Pandemie haben sich die Autopreise verdoppelt. Im März wurden 64 Prozent weniger Autos verkauft. Gab es Ende 2021 Probleme mit der Beschaffung von Mikrochips, so fehlt es jetzt an allem. Ersatzteile für ältere Autos sind zwar noch erhältlich, kosten aber 25 bis 30 Prozent mehr als im Januar. Eine Autobatterie für ein herkömmliches Auto kann in Moskau bis zu 1000 Euro kosten. Wegen des Rückzugs ausländischer Hersteller fehlen etwa 800.000 Autos. 

Da wegen harter Lockdowns der Nachschub aus China stockt und die russischen Hersteller von ausländischen Komponenten abhängig sind, wird Moskau Parallelimporte zulassen müssen, damit der russische Automarkt überleben kann. Russlands Wirtschaft bewegt sich damit in eine Grauzone. Parallelimporte meint den Import über Drittländer und de facto die Aushebelung des Rechtsinhabers und die Umgehung von Sanktionen. Die USA erwägen, durch die Verhängung  von Sekundärsanktionen gegen die Beteiligten solche Geschäfte zu unterbinden.

Inflation und Rubelverfall

Für dieses Jahr wird mit einer Inflationsrate von 20 bis 25 Prozent gerechnet. Durch den Verfall des Rubelwerts zu Beginn des Ukrainekriegs stiegen die Verbraucherpreise steil in die Höhe. Panikartig hoben die russischen Kunden ihre Bankguthaben ab und tauschten sie in Euro oder Dollar um, was sich auf den Rubelwert negativ auswirkte. Mit strikten Beschränkungen des Umtauschs sowohl von Geschäftsleuten als auch Privatpersonen konnte Zentralbankchefin Elvira Naibullina den Rubelverfall aufhalten. Inzwischen hat er gegenüber Dollar (69,69 Rubel) und Euro (70,95 Rubel) den Vorkriegswert sogar überschritten. 

Zwar haben sich der starke Rückgang der Importe, die Unterbrechung der Lieferketten und die Schwierigkeit, Importwaren nach Russland zu bringen wegen der Blockade der Schiffe und dem Fehlen von Transportflügen, schon negativ ausgewirkt. Die Gaslieferungen gingen um 27 Prozent zurück, was Russland aber eher nützt als schadet. Wegen der Importbeschränkungen wächst aber paradoxerweise die positive Handelsbilanz, was den Rubel wiederum stärkt. Durch die steigenden Rohstoffpreise erhöhen sich Russlands Erlöse aus den verbliebenen Energieexporten, was bei einem gleichzeitigen Rückgang der Importe um 50 Prozent zu einem erwartbaren Handelsbilanzüberschuss von bis zu  240 Milliarden US-Dollar führen dürfte. Im April hat sich der Preisanstieg bereits verlangsamt. Die Weltbank sieht die russische Wirtschaft in diesem Jahr um 11,2 Prozent einbrechen. Trotz der Sanktionen verfügt Russland jedoch immer noch über genügend Finanzmittel. Durch den Handelsüberschuss kann die Zentralbank die Wirtschaft mit Rubel-Krediten versorgen, ohne Einnahmen zu generieren. 

So sieht es auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Russland habe in den vergangenen Jahren eine stabile Finanzlage erreicht, sagte der Handelsexperte Rolf Langhammer. Darüber hinaus liege die öffentliche Verschuldung bei niedrigen 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und Russland habe hohe Ersparnisse. Mit einer zurückhaltenden Ausgabenpolitik, einer starken Reservebildung sowie Preiskon-trollen, Einkommenshilfen und der Bekämpfung eines Schwarzmarktes könnte es Moskau gelingen, noch lange durchzuhalten. Russlands Erfolg hängt allerdings langfristig davon ab, inwieweit es gelingt, den Export in Drittstaaten, die die West-Sanktionen nicht unterstützen, wie China und Indien zu  erhöhen, und wie sich der Einfluss des Westens auf diese auswirkt. 

Vorbild Iran

Wie man Sanktionen langfristig trotzt, weiß Mohsen Karimi, Manager bei der iranischen Zentralbank. Er schlug den Russen vor, die „reiche iranische Erfahrung in der Umgehung von Sanktionen“ zu nutzen. Tatsächlich haben die seit 1979 verhängten Sanktionen gegen das islamische Regime im Iran weder zu dessen Sturz noch auch nur zu dessen Schwächung geführt.