18.04.2024

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Folge 19-22 vom 13. Mai 2022 / Porträt / Nordirische Zeitenwende

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-22 vom 13. Mai 2022

Porträt
Nordirische Zeitenwende
H. Tews

In der britischen Provinz Nordirland gibt es seit jeher eine klare konfessionelle Front: königstreue Protestanten vs. republikanische Katholiken. Solange die pro-britischen Unionisten eine Mehrheit bildeten, war ihre Macht gesichert. Doch die gebärfreudigeren Katholiken sowie Zuwanderer aus dem katholischen Polen haben das Verhältnis gekippt. Die Katholiken, die eine Vereinigung mit der Republik Irland anstreben, liegen jetzt vorn.

Ein Ausdruck dieses Wechsels der Mehrheitsverhältnisse ist der Sieg der Sinn-Féin-Politikerin Michelle O’Neill bei den jüngsten Wahlen zum nordirischen Regionalparlament. Mit 29 Prozent siegte sie knapp vor den anderen, meist unionistischen Parteien.

Dass die katholische Sinn Féin – im gälischen Irisch steht es für „wir selbst“ – jetzt die Regierung stellen kann, kommt im nördlichen Landesteil der Grünen Insel einer wahren Zeitenwende gleich. 1905 gegründet trat sie für die Unabhängigkeit Irlands vom Vereinigten Königreich ein. Nach der von England erzwungenen Abspaltung Nordirlands vom größeren Rest der Landes galt Sinn Féin im Norden als der politische Arm der bewaffneten Irisch Republikanischen Armee (IRA), die viele blutige Anschläge verübt hat.

Seit dem Karfreitagsabkommen, dem Friedensabkommen in Nordirland von 1998, engagiert sich O’Neill für Sinn Féin. Die 45-jährige geschiedene Mutter zweier Kinder ist seit 2007 Abgeordnete im nordirischen Parlament, war ein Jahr lang eine der jüngsten Bürgermeisterinnen im Distrikt Dungannon and South Tyrone, ehe sie erst zur Agrar- dann zur Gesundheitsministerin und schließlich zur stellvertretenden Regierungschefin aufstieg.

Die durch eine Regierungskrise ausgelöste Neuwahl verschafft ihr nun den möglichen Sprung an die oberste Spitze des Landes. Dazu muss sie jedoch Partner auch aus dem unionistischen Lager finden, die mit ihr koalieren wollen. Ihr Eintreten für das Nordirland-Protokoll, das eine innerirische und damit zollfreie EU-Grenze vorsieht, dürfte bei den pro-britischen Brexit-Befürworten allerdings auf wenig Gegenliebe stoßen, befürchten sie damit doch einen ersten Schritt zur Wiedervereinigung Irlands.