26.04.2024

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Folge 19-22 vom 13. Mai 2022 / Schlossgeschichte / Im Weinberg des Herrn Lehrers / Im heutigen Erlebnisweingut Schloss Wackerbarth bei Radebeul wirkte einst der vor 200 Jahren gestorbene Pädagoge Carl Lang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-22 vom 13. Mai 2022

Schlossgeschichte
Im Weinberg des Herrn Lehrers
Im heutigen Erlebnisweingut Schloss Wackerbarth bei Radebeul wirkte einst der vor 200 Jahren gestorbene Pädagoge Carl Lang
Martin Stolzenau

Schloss Wackerbarth bei Radebeul ist vielen Wein- und Sektliebhabern ein Begriff. Das Barockschloss ist heute Sitz des Sächsischen Staatsweingutes und hat eine bewegte Geschichte. Sie reicht von Generalfeldmarschall und Reichsgraf Christoph August von Wackerbarth, der unter August dem Starken als Kabinettsminister fungierte, das Areal des Radebeuler Johannisberges innerhalb der Großlage Lößnitz 1724 erwarb und sich hier einen Alterssitz erbauen ließ, über Carl Lang, der im Schloss eine Knabenerziehungsanstalt unterhielt, und Friedrich Gustav Bräunlich, der im Anwesen eine Heilanstalt für Geisteskranke unterbrachte, bis hin zur Unterbringung einer Führerschule der Nationalsozialisten.

Ab 1945 folgte dann die Nutzung durch die Sowjets. 1952 bezog das VEG Weingut Radebeul das Schloss. Damit begann die Entwicklung des Areals um Schloss Wackerbarth als Produktionsort bekannter Weine und Sektmarken. Heute gilt der inzwischen erweiterte Komplex als bekanntes „Erlebnisweingut“. Dabei wird auch immer an die wechselvolle Lebensgeschichte des Spätaufklärers Carl Lang erinnert, dessen 200. Todestags am 16. Mai gedacht wird. Immerhin wurde mit ihm einst ein Bankrotteur sechs Jahre lang zum Besitzer des Schlosses Wackerbarth. Lang wurde am 27. Oktober 1766 in Heilbronn geboren. Mit Weinanbau hatte er allerdings nichts am Hut, denn neben einer juristischen und Senatoren-Tätigkeit in Heilbronn übte er sich als Schriftsteller und Kupferstecher. Er übernahm die Kupferstecherei der berühmten „Karlsschule“ und gründete 1796 das „Schwäbische Industrie- Comptoir“, einen Kunstverlag.

Aber der Tanz auf mehreren Hochzeiten forderte bald Tribut. 1799 kam Langs Pleite. Aus dieser Bedrängnis befreite er sich durch seine Flucht aus Heilbronn bei Nacht und Nebel und unter Zurücklassung seiner Familie. Seine Emigration führte ihn über Altona, Berlin und Leipzig ins sächsische Tharandt bei Freital, wo er eine fortschrittliche Knabenerziehungsanstalt gründete. Er orientierte sich dabei an Ideen von Johann Heinrich Pestalozzi und Johann Bernhard Basedow, der mit seinem aufklärerischen Schulexperiment in Dessau großes Aufsehen erregt hatte.

Lang nutzte diese Mode, begleitete seine Aktivitäten mit eigenen pädagogischen Schriften, die er mit eigenen Kupferstichen anschaulich illustrierte. 1816 besaß er wieder genug Kapital, um dem verarmten Grafenhaus von Wackerbarth dessen Barockschloss bei Radebeul abkaufen zu können. Lang verlagerte seine Knabenerziehungsanstalt von Tharandt in das erworbene Schloss und nahm in der Folge viele Söhne reicher Familien aus ganz Sachsen auf. An seinem Institut standen ihm andere bekannte Pädagogen zur Seite. Das reichte von Carl Vogel, seinem Schwiegersohn, bis zu dem Lehrbuchautor Johann Peter Hundeiker.

Zwischendurch wurden im Schloss Elise Polko, eine spätere Schriftstellerin, und Eduard Vogel, der dann als Afrikaforscher Bekanntheit erlangte, geboren. Beide waren Kinder von Carl Vogel und Enkel von Carl Lang. Fast parallel starb Lang am 16. Mai 1822 überraschend. Die Familie hielt die Knabenerziehungsanstalt noch zwei Jahre. Doch nach dem Tod des Gründers kriselte es in der Anstalt, sodass die Lang-Erben das Schloss an die Wackerbarth-Familie zurückverkauften.

Aber schon 1846 ging der Besitzerwechsel weiter, bis nach einigen Umbauten und Erweiterungen über 100 Jahre später mit der Begründung als Weingut die heutige Bestimmung kam. Hätte aber Lang das Schloss nicht vor dem Verfall gerettet, dann kämen die Wein- und Sektliebhaber heute nicht in den Genuss von Spitzentropfen aus dieser sächsischen Weinregion.