26.04.2024

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Folge 20-22 vom 20. Mai 2022 / Bernardo Bellotto / Der „kleine Canal“ und seine große Karriere / Vor 300 Jahren wurde der venezianische Maler geboren. Seine Motive fand er außer in Italien auch in Dresden, Wien und Warschau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-22 vom 20. Mai 2022

Bernardo Bellotto
Der „kleine Canal“ und seine große Karriere
Vor 300 Jahren wurde der venezianische Maler geboren. Seine Motive fand er außer in Italien auch in Dresden, Wien und Warschau
Wolfgang Kaufmann

Veduten sind weitgehend realitätsgetreue malerische Darstellungen einer Landschaft oder eines Stadtbildes. Zu den größten Meistern auf dem Gebiet der Herstellung solcher Kunstwerke zählt Bernardo Bellotto, der am 20. Mai 1722 in Venedig geboren wurde und später als „Canaletto“ (kleiner Canal) auftrat. (Siehe auch Seite 9.)

Seine Ansichten von Venedig, Padua, Lucca, Verona, Florenz, Rom, Dresden, Wien, München und Warschau sowie auch der kleineren Ortschaft Pirna am Eingang zum Elbsandsteingebirge wurden seinerzeit fürstlich honoriert und hängen jetzt in renommierten Sammlungen wie der Gemäldegalerie im Dresdner Zwinger, der Eremitage in Sankt Petersburg und dem Kunsthistorischen Museum Wien. Nicht selten prägen sie bis heute den Ruf einer Stadt. Ohne Bellottos Bild „Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke“, das den inzwischen legendären Canaletto-Blick wiedergibt, wäre die Residenz der sächsischen Kurfürsten und Könige wohl kaum zu einem „Elbflorenz“ avanciert.

Das Malen erlernte Bellotto bei seinem Onkel Giovanni Antonio Canal, von dem er neben dem Künstlernamen auch diverse Techniken übernahm. So beispielsweise die Verwendung von Lochkameras zur exakten Wiedergabe der Proportionen. Jedoch entwickelte der jüngere Canaletto im Laufe der Zeit einen für ihn typischen eigenen Stil. Der ist insbesondere durch weniger heitere Farben und den Einbezug des banalen täglichen Lebens gekennzeichnet. Während bei Canaletto senior alles sehr idealisiert wirkt, zeigt Bellotto auch marode Häuser mit bröckelndem Putz oder urinierende Spaziergänger.

In sächsischen Diensten

Die Ausbildung des Künstlers dauerte von 1736 bis 1738, dann reiste dieser mehrmals malend durch die Toskana, die Lombardei und das Piemont sowie nach Rom und Verona. 1745 erfolgten erstmals zwei Bestellungen für Veduten von Karl Emanuel III., dem Herzog von Savoyen und König von Sardinien-Piemont. Dennoch beschloss Canaletto schließlich, Italien den Rücken zu kehren.

Seine neue Heimat wurde Dresden, wo er auf Friedrich August II. traf, der in Personalunion Kurfürst und Herzog von Sachsen sowie König von Polen und Großherzog von Litauen war. Der äußerst kunstsinnige Sohn Augusts des Starken hegte eine Vorliebe für die zeitgenössische venezianische Malerei und engagierte den nun 25 Jahre alten Bellotto 1747 als Hofmaler mit exorbitanten 1750 Talern Jahresgehalt. 

Es folgte die erste Dresdner Schaffensperiode Canalettos, in deren Verlauf ein Zyklus von 14 Stadtansichten entstand. Dazu kamen noch elf Bilder von Pirna und fünf Veduten der Festung Königstein in der Sächsischen Schweiz. Außerdem erstellte der Maler 21 Kopien von diesen Werken für die Sammlung von Augusts vermögendem Ersten Minister, den Grafen Heinrich von Brühl, die später von der russischen Zarin Katharina II. aufgekauft wurde.

Rückkehr nach Dresden

Nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges im Jahre 1756 verschlechterte sich Canalettos Auftragslage gravierend. Deshalb reiste er schließlich im Januar 1759 über Bayreuth nach Wien. Dort entstanden auf Wunsch des Kaiserhofs, des anfänglichen Grafen und späteren Reichsfürsten Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg sowie des vierten Fürsten von Liechtenstein, Josef Wenzel, 13 Bilder. In Wien erhielt der Maler die Nachricht von der Zerstörung seines Hauses und der Vernichtung eines Teils der darin gelagerten Kunstwerke im Wert von 50.000 Talern durch den preußischen Beschuss der sächsischen Residenzstadt im Juli 1760. Dennoch kehrte Canaletto Ende 1761 über München nach Dresden zurück.

Im Oktober 1763 verstarben sowohl Friedrich August II. als auch der Graf von Brühl. Damit verlor Bellotto gleich zwei Gönner auf einmal. Darüber hinaus erhielt der Venezianer auch sonst keine weiteren großen Aufträge mehr, da man sich in Sachsen nun eher für den Klassizismus erwärmte. Dazu kam die Kürzung seines Gehalts auf 600 Taler, weil nur noch seine Lehre an der 1764 gegründeten Allgemeinen Kunst-Akademie in Dresden bezahlt wurde. Das alles bewog Canaletto dazu, an den Hof von Katharina II. in Sankt Petersburg zu wechseln.

Auf dem Weg nach Russland machte der Künstler 1767 in Warschau Station. Dort residierte seit 1764 Stanisław Antoni Poniatowski als König von Polen und Großfürst von Litauen. Und dieser hochgebildete Herrscher mit barockem Geschmack war ein großer Verehrer der venezianischen Malerei. Da er an seinem Hof schon diverse italienische Künstler versammelt hatte, fühlte sich Canaletto sofort heimisch und erklärte sich bereit, gegen ein Entgelt von 710 Dukaten pro Jahr als Hofmaler von Stanisław II. August zu fungieren. 

In polnischen Diensten 

Bellotto zeichnete auch für die künstlerische Umgestaltung von Schloss Ujazdów mitverantwortlich, das dem Monarchen als Ersatzresidenz während der Modernisierung des Warschauer Königsschlosses diente. Für Ujazdów schuf Canaletto unter anderem 16 Veduten von Rom. Als Vorbild nutzte er die Radierungen des Architekten Giovanni Battista Piranesi. Unterstützt wurde er von seinem Sohn Lorenzo, der bereits 1770 mit nur 28 Jahren verstarb.

Weil Stanisław II. August mit der parallelen Modernisierung von zwei Domizilen überfordert war, konzentrierte er sich schließlich auf das Königsschloss. Deswegen wurden Canalettos Bilder 1777 dorthin transferiert. Außerdem entstanden nun zahlreiche Veduten von Warschau. Diese Gemälde halfen später beim originalgetreuen Wiederaufbau der Stadt nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs.

Bellottos rastloses Schaffen endete am 17. Oktober 1780 durch einen plötzlichen Gehirnschlag. Die letzte Ruhestätte des Ausnahmekünstlers wurde die Kapuzinerkirche an der Warschauer Uliza Miodowa, in der auch das Herz des als Retter Wiens während der Zweiten Wiener Türkenbelagerung geltenden polnischen Königs Johann III. Sobieski bestattet ist.