29.03.2024

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Folge 20-22 vom 20. Mai 2022 / Karl Kollwitz / Kassenarzt und Pazifist / Selbst in prekären Verhältnissen aufgewachsen, engagierte sich der Ehemann der Künstlerin Käthe Kollwitz für sozial Schwache

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-22 vom 20. Mai 2022

Karl Kollwitz
Kassenarzt und Pazifist
Selbst in prekären Verhältnissen aufgewachsen, engagierte sich der Ehemann der Künstlerin Käthe Kollwitz für sozial Schwache
Wolfgang Kaufmann

Käthe Kollwitz, die am 8. Juli 1867 als Tochter von Katharina und Karl Schmidt in Königsberg geboren wurde, zählt zu den bedeutendsten deutschen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Das resultiert nicht zuletzt aus den beeindruckenden Zyklen „Ein Weberaufstand“ (1893–1897) und „Bauernkrieg“ (1901–1908). Der Lebensweg der Grafikerin, Malerin und Bildhauerin war dabei ganz maßgeblich von Karl Kollwitz geprägt, der fast sechs Jahrzehnte lang an ihrer Seite stand.

Im Samland zur Welt gekommen

Der Ehemann von Käthe Kollwitz erblickte am 13. Juni 1863 in Rudau im Samland als Johannes Carl August Kollwitz das Licht der Welt und kam 1872 nach dem frühzeitigen Tod seines Vaters – dieser erlag um 1869/70 einer Lungenentzündung – ins Königliche Waisenhaus zu Königsberg, weil die Mutter, Dorothea Kollwitz, den notorisch rebellischen Jungen nicht mehr zu kontrollieren vermochte. Dann verstarb 1878 auch sie, woraufhin ihr Bruder, der Gutsbesitzer Dannenberg, die Rolle des Vormunds übernahm. Dieser sorgte mit viel Einsatz dafür, dass Karl Kollwitz das angesehene Königliche Wilhelms-Gymnasium und anschließend noch die Albertus-Universität in Königsberg besuchen konnte. An der Albertina  erlangte der bald sehr viel umgänglicher auftretende Ostpreuße den Abschluss eines Doktors der Medizin, woraufhin 1891 die Approbation als Arzt folgte.

Bereits zehn Jahre zuvor hatte Karl Kollwitz die Schwester seines Jugendfreundes Karl Schmidt, die angehende Künstlerin Käthe Schmidt, kennengelernt, wonach 1884 die Verlobung folgte – sehr zum Leidwesen ihres Vaters, der befürchtete, dass die Ehe der Karriere der sichtlich begabten Tochter schaden würde. Doch letztendlich billigte Karl Schmidt die Heirat, die am 13. Juni 1891 stattfand, mit den Worten „Du hast jetzt deine Wahl getroffen.“

Die Anfänge am Prenzlauer Berg

Das frischvermählte Ehepaar zog in den Berliner Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg, wo es im Eckhaus Weißenburger Straße 25/Wörtherplatz wohnte. Hier hatte Käthe Kollwitz auch ihr Atelier, während Karl Kollwitz seinerseits eine Arztpraxis eröffnete. Durch die eigene prekäre Kindheit sowie sozialdemokratische Ideen inspiriert, praktizierte er als Vertragsarzt für die finanziell meist schlecht gestellten Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, die am 15. Juni 1883 auf Betreiben des damaligen Reichskanzlers Otto von Bismarck eingeführt worden war.

Am 14. Mai 1892 wurde der erste Sohn des Paares namens Hans geboren, der es später ebenfalls zum Mediziner und Seuchendezernenten von Berlin brachte. Am 6. Februar 1896 folgte der zweite Sohn Peter, und im Jahre 1904 kam noch der Ziehsohn Georg hinzu, welcher einer Liaison der österreichischen Malerin Rosa Pfäffinger mit dem dänischen Bohemien Willy Gretor entstammte.

Zwischen 1898 und 1903 arbeitete Käthe Kollwitz als Lehrerin an der Damenakademie des Vereins der Berliner Künstlerinnen, während Karl Kollwitz nebenher auch dem Jugendfürsorgeausschuss von Prenzlauer Berg angehörte. Und 1913 gründete er gemeinsam mit Ignaz Zadek, Raphael Silberstein und Ernst Simmel den Sozialdemokratischen Ärzteverein. Dessen Zweck bestand vor allem darin, in dem schwierigen Verhältnis zwischen Ortskrankenkassen und niedergelassenen Medizinern zu vermitteln. Außerdem trat Karl Kollwitz dem pazifistischen Bund Neues Vaterland bei, nachdem Peter Kollwitz am 23. Oktober 1914 bei Diksmuide in Flandern als Kriegsfreiwilliger gefallen war.

Im Anschluss an die Novemberrevolution von 1918 engagierte sich der Ehemann von Käthe Kollwitz zusätzlich noch als Stadtverordneter der SPD und Mitglied des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes, während ihr nun der große Durchbruch gelang: 1919 wurde sie das erste weibliche Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, und 1929 erhielt sie ebenfalls als erste Frau den 1842 gestifteten preußischen Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste.

Der Anfang vom Ende

Da die parteilose Käthe Kollwitz zu den Unterzeichnern eines Aufrufs zur Zusammenarbeit zwischen der SPD und KPD gehört hatte, wurde sie im Februar 1933 aus der Akademie gedrängt sowie ihres Amtes als Leiterin der Meisterklasse für Grafik enthoben. 

Parallel hierzu verlor Karl Kollwitz am 1. August 1933 aus politischen Gründen die Kassenzulassung. Diese Entscheidung wurde allerdings nach Protesten des Arztes im Oktober des gleichen Jahres revidiert. Danach praktizierte er noch bis 1937, während seine Frau weitere Zeichnungen und Grafiken schuf.

Im Ruhestand verfiel Karl Kollwitz dann überaus schnell: Nach dem Misslingen einer Augenoperation wegen Grauen Stars war der 76-Jährige bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bereits vollkommen bettlägerig. Er starb am 19. Juli 1940 in Berlin.

Käthe Kollwitz wiederum floh 1943 vor dem Bombenkrieg nach Nordhausen. Anschließend zog sie im Juli 1944 auf Einladung von Ernst Heinrich von Sachsen nach Moritzburg bei Dresden. Hier endete ihr Lebensweg am 22. April 1945. Später fand das Ehepaar Kollwitz in der Künstlerabteilung des Zentralfriedhofs von Berlin-Friedrichsfelde seine letzte Ruhestätte.