19.04.2024

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Folge 21-22 vom 27. Mai 2022 / Tickende Zeitbomben Im Schatten von Corona-Pandemie, Ukrainekrieg und anderen Dramen bedrohen verdrängte Umweltkatastrophen die Lebensgrundlagen von Mensch und Natur / Damoklesschwert über dem Roten Meer / Sollte der Tanker „Safer“ vor der Küste Jemens zerbrechen, würden Ökosysteme für Jahrzehnte zerstört

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-22 vom 27. Mai 2022

Tickende Zeitbomben Im Schatten von Corona-Pandemie, Ukrainekrieg und anderen Dramen bedrohen verdrängte Umweltkatastrophen die Lebensgrundlagen von Mensch und Natur
Damoklesschwert über dem Roten Meer
Sollte der Tanker „Safer“ vor der Küste Jemens zerbrechen, würden Ökosysteme für Jahrzehnte zerstört
Wolfgang Kaufmann

Im Zweiten Weltkrieg versanken nach Angriffen von U-Booten, Überwasserschiffen und Flugzeugen sowie Minen-Explosionen mehr als 700 Tanker in den Ozeanen. Mindestens die Hälfte davon war voll beladen. Dem folgten zwischen 1945 und heute an die 150 Tankerunfälle, bei denen rund sechs Millionen Tonnen Rohöl ins Meer gelangten. Besonderes Aufsehen erregten die schweren Havarien der Tanker „Torrey Canyon“ 1967, „Texaco Denmark“ 1971, „Sea Star“ 1972, „Hawaiian Patriot“ 1977, „Amoco Cadiz“ 1978, „Atlantic Empress“ 1979, „Castillo De Bellver“ 1983, „Odyssey“ 1983, „Exxon Valdez“ 1989, „Haven“ 1991 und „Sanchi“ 2018. Ebenso ergossen sich bei Unfällen auf Bohrinseln und infolge der Kampfhandlungen während des Zweiten Golfkrieges Millionen Tonnen Rohöl in die Weltmeere. 

Die daraus resultierenden Schäden für die Umwelt waren exorbitant. So führte allein das teilweise Austreten der Ladung aus dem Rumpf der „Exxon Valdez“ in der Größenordnung von 38.000 Tonnen zu einem Ölteppich von 7000 Quadratkilometern, der insgesamt 2000 Küstenkilometer von Alaska verschmutzte. Das lässt erahnen, welche Gefahr von dem vor Jemen liegenden Floating Storage and Offloading vessel (FSO) „Safer“ ausgeht.

Huthi halten das Schiff als Geisel

Ungeachtet der Tatsache, dass „safer“ das englische Wort für „sicherer“ ist, ist mit der Namensgebung nicht etwa der Anspruch größerer Sicherheit verbunden. Vielmehr hat die „Safer“ ihren Namen von einem jemenitischen Ölfeld. Bei ihr handelt es sich um den umgebauten, 350 Meter langen ehemaligen Tanker „Esso Japan“, der zwischen 1988 und 2015 als schwimmende Umschlagstation für Rohöl diente und der jemenitischen Safer Exploration & Production Operation Co. (SEPOC) gehört. Über eine rund 430 Kilometer lange Pipeline, die bis zum Ölfeld von Ma’rib reichte, wurde die „Safer“ kontinuierlich befüllt, während sie das „Schwarze Gold“ an Tanker aus aller Welt weitergab. 

Dann allerdings besetzten Huthi-Rebellen, welche die Zentralregierung des Jemen gestürzt hatten, das FSO unweit des Hafens von Hodeida im südlichen Teil des Roten Meeres. Seitdem finden dort kein Ölumschlag und keine Wartungsarbeiten mehr statt. Lange Zeit verweigerten die Rebellen jegliche Inspektion des Schiffes durch Experten des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) sowie auch das Abpumpen des Öls aus den 34 Tanks der dahinrostenden „Safer“. Die sind zwar nicht komplett voll, enthalten aber immerhin um die 150.000 Tonnen Rohöl.

Berlin zeigt sich wieder großzügig

Seit 2019 weiß das UNEP, dass der technisch veraltete Einhüllenrumpf des FSO undicht ist und die Lenzpumpen an Bord der „Safer“ ausgefallen sind. Deswegen könnte diese sinken oder ihre Ladung verlieren. Daher besteht nun das akute „Risiko einer massiven Ölpest“, wie der UN-Nothilfekoordinator für das Bürgerkriegsland, David Gressly, unlängst warnte. Sollte die „Safer“ aufreißen oder zerbrechen und das Öl dabei komplett auslaufen, würden das Rote Meer und dessen Küsten über Hunderte von Kilometern unter schwarzem Schlick verschwinden. Das wiederum hätte zur Folge, dass der Schiffsverkehr in der Region eingestellt werden müsste mit fatalen Folgen für die humanitäre Lage im Jemen, da ein Großteil der Nahrungsmittelhilfslieferungen für das hungernde Land über Hodeida läuft. Darüber hinaus käme es möglicherweise auch zu einer erneuten Sperrung des Suezkanals, dessen südliches Ende im Roten Meer mündet, was wiederum katastrophal für die Weltwirtschaft wäre. Ebenso ist bei einer Havarie der „Safer“ mit dem Ausfall der Meerwasserentsalzungsanlagen in der Region sowie schweren Beeinträchtigungen für die Fischerei und Landwirtschaft von Somalia im Süden bis Saudi-Arabien im Norden zu rechnen. Insgesamt droht hier also die Gefährdung der Lebensgrundlagen von bis zu zehn Millionen Menschen.

Angesichts dieser brisanten Situation haben sich die Huthi-Rebellen nun endlich bereit erklärt, einem Abpumpen des Öls aus der „Safer“ zuzustimmen, sofern denn der Erlös des Verkaufs des „Schwarzen Goldes“, dessen Marktwert aktuell bei über 100 Millionen US-Dollar liegt, in ihre Taschen fließt. Die Kosten für die Sicherungsmission sowie das nachfolgende Abschleppen des FSO in einen Hafen in Höhe von insgesamt 144 Millionen Dollar sollen freilich andere tragen, nämlich die Teilnehmer der von den Vereinten Nationen initiierten Geberkonferenz, die kürzlich in Den Haag und Amman tagten. 

Allerdings beläuft sich die Finanzierungszusage bislang nur auf 40 Millionen Dollar, von denen über ein Viertel aus Deutschland kommen soll. Das reicht nicht einmal für das Abpumpen des Öls, das eigentlich noch in diesem Sommer erfolgen müsste, bevor im Roten Meer wieder die Herbststürme einsetzen.