16.04.2024

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Folge 21-22 vom 27. Mai 2022 / Raumfahrt / Der nächste Sprung ins All steht bevor / Schneller, größer, weiter: Mit revolutionären Neuentwicklungen planen gleich mehrere Akteure, die Grenzen des bislang Möglichen zu überwinden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-22 vom 27. Mai 2022

Raumfahrt
Der nächste Sprung ins All steht bevor
Schneller, größer, weiter: Mit revolutionären Neuentwicklungen planen gleich mehrere Akteure, die Grenzen des bislang Möglichen zu überwinden
Wolfgang Kaufmann

Ohne die gewaltige Trägerrakete Saturn V hätten die USA niemals Menschen auf den Mond schicken können. Allerdings fanden nur 13 Starts des 3000 Tonnen schweren Kolosses statt, bevor dessen Bau 1973 eingestellt wurde. Seitdem vermochte es kein Weltraumtransportsystem, mehr als 100 Tonnen Nutzlast ins All zu hieven: Das Space Shuttle der USA brachte es hier lediglich auf 24,5 Tonnen und die stärkste für den Dauereinsatz taugliche sowjetische beziehungsweise russische Trägerrakete Proton-M auf 21 Tonnen. Ebenso liegt die Kapazität des momentan leistungsstärksten Trägers Falcon Heavy des privaten US-amerikanischen Herstellers SpaceX, dessen Erstflug 2018 erfolgte, bei maximal 64 Tonnen. 

Doch nun stehen gleich zwei Anwärter auf die Nachfolge der Saturn V bereit: die Schwerlastrakete Space Launch System (SLS) der US-Raumfahrtbehörde NASA mit bis zu 130 Tonnen Nutzlast und das Starship-Super-Heavy-Tandem von SpaceX, dessen Nutzlast gleichfalls bei 100 bis 150 Tonnen liegen soll.

Der erste SLS-Start ist schon für diesen Sommer im Rahmen der Mission Artemis 1 geplant. Deren Ziel besteht darin, das Raumschiff Orion auf einen unbemannten Testflug zum Mond zu schicken, bevor dann im Mai 2024 bei Artemis 2 die erste Reise von Menschen zu unserem Erdtrabanten seit Dezember 1972 ansteht, allerdings noch ohne die Oberfläche zu betreten. Die Landung auf dem Mond bleibt nämlich den Astronauten der Mission Artemis 3 irgendwann im Jahre 2025 oder 2026 vorbehalten.

Konkurrenz lobt Elon Musks Projekt

Zu den sonstigen Einsatzmöglichkeiten des SLS gehört der Start innovativer Raumsonden für die Erkundung der noch wenig erforschten äußeren Bereiche unseres Sonnensystems mit einer bis zu zwölfmal höheren Masse als die bisher Entsandten. Hierunter fallen beispielsweise Neptune Odyssey, die 2033 starten und neben dem blauen Riesenplaneten Neptun auch dessen Mond Triton erkunden soll, Enceladus Orbilander zur Suche nach Leben im Wasserozean des sechstgrößten Saturnmondes und Persephone, die nach ihrem Abflug im Jahre 2031 bis 2058 über den Pluto hinaus in den Kuipergürtel vorstoßen könnte. 

Allerdings zeigen sich am letztgenannten Beispiel auch schon die Grenzen des SLS. Diese liegen neben den enormen Kosten für jeden einzelnen Start der „Einwegrakete“ von über vier Milliarden US-Dollar in dem Fehlen einer Möglichkeit, die Sonden im All aufzutanken, was deren Geschwindigkeit stark limitiert.

Dahingegen ist das Raumschiff der Firma SpaceX von Elon Musk, dessen Erstflug ebenfalls noch dieses Jahr erfolgen soll, sehr viel kostengünstiger, weil mehrfach wiederverwendbar – und die Fähigkeit zum Nachfüllen des beim Start verbrauchten Treibstoffs in der Erdumlaufbahn vermittels entsprechender Tankschiffe gehört ebenfalls zu den Vorteilen dieser Konstruktion. Das Nachtanken im Orbit führt zu einer fünfmal höheren effektiven Leistung im Vergleich zum noch weitgehend konventionell aufgebauten SLS. 

Deshalb überbieten sich viele Fachleute inzwischen in Lobeshymnen auf die Schwerlastrakete von SpaceX. So schwärmt Jennifer Heldman vom Ames Research Center der NASA, an dem Raumfahrt-Grundlagenforschung betrieben wird: „Starship ist nicht nur eine schrittweise Veränderung. Es ist ein Paradigmenwechsel.“ Beispielsweise eröffnet sich nun die reale Möglichkeit der Entsendung von Menschen zum Mars. Als weitere, vollkommen revolutionäre Mission, die wohl nur mit Musks Starship möglich wäre, gilt das Unternehmen Interstellar Probe.

Blick 2000 Jahre in die Zukunft

Seit rund 60.000 Jahren rast unser Sonnensystem durch die Lokale Interstellare Wolke (LIC), die aus Gas und Staub besteht, aber ansonsten in einer relativ leeren Region der Milchstraße liegt. In etwa 2000 Jahren dürfte sich das aber ändern. „Wir haben keine Ahnung, was daraufhin passieren wird“, geben Experten wie Pontus Brandt vom Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory (APL) in Laurel (Maryland) ganz offen zu. Unter Umständen drohen dann auch der Erde beziehungsweise der Menschheit Gefahren größeren Ausmaßes. 

Deshalb haben die Wissenschaftler des APL den Vorschlag gemacht, 2026 eine Sonde namens Interstellar Probe in die Tiefen des Weltalls zu entsenden. Diese müsste den Raum erkunden, der in der Flugbahn des Sonnensystems liegt, und dazu mit bislang nie erreichter Anfangsgeschwindigkeit die Erdbahn verlassen. Jedoch würde es selbst dann noch mehrere Generationen dauern, bis der freie interstellare Raum jenseits der LIC erreicht wäre. Ein ähnlich ehrgeiziges Unternehmen plant die Nationale Raumfahrtbehörde Chinas (CNSA) mit Interstellar Express. Ebenso will das Büro für bemannte Raumfahrt der Volksrepublik (CMSA) Flüge zum Mond und zum Mars durchführen – einschließlich der Einrichtung von Forschungsstationen dort. Dazu kommt der Aufbau eines in der Erdumlaufbahn befindlichen Orbitalen Sonnenkraftwerkes namens Zhuri. 

Zur Durchführung all dieser Missionen entwickelt die China Aerospace Science and Technology Corporation (CASC) derzeit die superschwere Rakete Changzheng Jiuhao (Langer Marsch) 9, die letztlich bis zu 200 Tonnen Nutzlast tragen soll und deren Basisversion erstmals 2028 vom Kosmodrom Wenchang auf der Insel Hainan abheben könnte.