19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 22-22 vom 03. Juni 2022 / Wohnungsbau / Der Fehler liegt im Fördersystem / Bezahlbarer Wohnraum für Familien fehlt – Bauherren kassierten mehr für Single-Appartements

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-22 vom 03. Juni 2022

Wohnungsbau
Der Fehler liegt im Fördersystem
Bezahlbarer Wohnraum für Familien fehlt – Bauherren kassierten mehr für Single-Appartements
Peter Entinger

Die Bundesregierung wollte im vergangenen Jahr 400.000 Wohnungen bauen lassen. Doch die Zielmarke wurde deutlich verfehlt. Die Herrschenden machen externe Faktoren verantwortlich, vor allem die Ukraine-Krise und steigende Rohstoffpreise. 

„Auf Lieferengpässe, Rohstoffknappheit und deutliche Preissteigerungen hat der deutsche Staat kaum Einfluss“, sagt Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und will mit den Bundesländern bürokratische Einschränkungen abbauen: „Wir müssen Genehmigungs- und Planungsprozesse digitalisieren, die 16 Länderverordnungen sinnvoll harmonisieren und die Bedingungen für den seriellen Bau erleichtern.“ Mit 293.393 fertiggestellten Wohneinheiten lag die Zahl deutlich unter der Vorgabe der Politik. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes handelt es sich um einen Rückgang von 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresniveau. Und für das laufende Jahr sind die Aussichten kaum besser. 

Deutlich zu wenig gebaut

Nun werden Sündenböcke gesucht. Die Politik schiebt den Schwarzen Peter der politischen Großwetterlage zu. Die Baubranche fordert neue, milliardenschwere Subventionen. Doch das ist bei nähe-

rem Hinsehen gelinde gesagt gewagt. Fast 850.000 Wohnungen sind bereits genehmigt, aber noch nicht fertig: 64 Milliarden Euro an unerledigten Aufträgen hatte die Baubranche zum Jahreswechsel laut Bundesverband der Bauindustrie in den Büchern. Das hat sicherlich mit gestiegenen Preisen zu tun, auch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie sind spürbar. Zahlreiche Firmen klagen über einen eklatanten Mangel an Arbeitern. 

Doch der zentrale Fehler liegt im System. Vor allem in Ballungsgebieten sind neue Wohnungen entstanden, Zwei- bis Drei-Zimmer-Appartements für gut situierte Singles und Akademiker-Pärchen. Doch an bezahlbarem Wohnraum für Familien fehlt es. Der Immobilien-Spitzenverband ZIA zog eine vernichtende Bilanz. Der Bau-Boom des vergangenen Jahrzehnts  ging in den Ballungsgebieten „ausschließlich auf kleinere Geschosswohnungen  zurück – und damit an den Bedürfnissen der Familien völlig vorbei“, analysieren die sogenannten Immobilienweisen. Gemäß europäischer Definition muss ein Ein-Personen-Haushalt mindestens zwei Zimmer haben, damit die Wohnung nicht als überbelegt gilt.

Die Zuschuss-Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind mittlerweile ausgelaufen, durch die steigenden Preise könnten gerade kleinere Bauherren unter Druck geraten. Die haben jedoch in den vergangenen Jahren extrem vom System profitiert. Zuschüsse von der KfW gab es nämlich pro Wohneinheit und nicht pro Quadratmeter. Heißt: Der Bauherr, der fünf Single-Wohnungen gebaut hat, konnte fünfmal kassieren, während für eine Familien-Unterkunft nur eine Förderung floss. Nun steht die Branche vor einem Dilemma. Für den dringend nötigen Wohnraum für Familien fehlt es an Investitions-Kapital, Materialien und Arbeitern.