28.03.2024

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Folge 22-22 vom 03. Juni 2022 / Kolumne / Sie wähnen sich erwählt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-22 vom 03. Juni 2022

Kolumne
Sie wähnen sich erwählt
Florian Stumfall

Nach dem Selbstverständnis der politischen Elite der USA ist das Land dazu berufen, weltweit die westlichen Ordnungsprinzipien durchzusetzen. Abweichende Auffassungen und Traditionen werden abgelehnt und bekämpft, oder, je nach den militärischen Gegebenheiten, allenfalls mit Vorbehalt geduldet. Die Doktrin des Landes geht dahin, dass die USA den historischen Auftrag hätten, Freiheit, Demokratie und Menschenwürde über den Globus zu verbreiten, und sei es auch gegen den Willen anderer Völker. Diese Einstellung ist einer der Gründe dafür, dass die USA seit ihrem vergleichsweise kurzen Bestehen über 200 Kriege und Militäroperationen geführt sowie meist gewaltsame Regimewechsel („Regime Changes“) verursacht haben.

Während aber diese Militärgeschichte der USA jedermann offenliegen sollte, ist ihr gedankliches Herkommen weitgehend verborgen. Dabei sind die Quellen recht einfach aufzudecken. Da ist einmal der während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Britannien entstandene Puritanismus. Er war gekennzeichnet von religiösem Dünkel, Selbstgefälligkeit, Intoleranz und der Überzeugung von der eigenen Erwähltheit. Sein politischer Exponent war Oliver Cromwell. Nach dem Bürgerkrieg und der Restauration durch Karl II. erfolgte eine große Auswanderungswelle hauptsächlich von Puritanern, die man später die Pilgerväter nannte, nach Neuengland, bis heute eine Legende aus der Frühzeit der USA, staatsbildend und unantastbar. Sie brachten ihre Einstellung und ihr Gedankengut nach Amerika.

Puritanismus und Illuminaten

Die zweite der beiden wichtigsten geistigen Strömungen, welche die USA geprägt haben, sind die Illuminaten. Sie wurden im Jahre 1776 im bayerischen Ingolstadt gegründet und strebten als aufklärerische Bewegung die sittliche Erhöhung jedenfalls ihrer Mitglieder und später der ganzen Welt an, und machten sich zu diesem Zweck alsbald daran, den Staat zu durchsetzen. Da sie großen Zulauf bekamen, wurde das für Bayern zur Gefahr, und der Kurfürst verbot den Geheimorden kurzerhand wegen Staatsgefährdung und Religionsfeindlichkeit. Inzwischen hatte er aber schon weit über Bayern hinaus ausgegriffen und auch in den USA Fuß gefasst.

In diesem Zusammenhang sind jene, die auch in all den anderen Belangen des öffentlichen Lebens damit befasst sind, die einzig gültige Meinung zu formulieren, vorzuschreiben und deren Missachtung mit Strafandrohung zu belegen, außerordentlich bemüht, jede Vorstellung von einem Weiterleben der Illuminaten in den USA in Abrede zu stellen. Man greift sogar zur schwersten Waffe, dem Vorwurf der Verschwörungstheorie, gegen alle, die ein solches Weiterleben für möglich halten.

Das Fortwirken alter Denkansätze

Fest steht indes, dass in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts ein gewisser William H. Russell in Deutschland Kontakt zu einer Nachfolgeorganisation der Illuminaten gefunden hatte, deren Kennzeichen der Totenkopf mit gekreuzten Gebeinen war. Dieser Russel gründete später in den USA den Geheimbund „Skull and Bones“, dem heute noch ein außerordentlicher Einfluss auf das politische Leben in den USA zugeschrieben wird – so neben vielen anderen Alexandra Robbins in ihrem Buch „Bruderschaft des Todes“. 

Dabei ist es völlig unerheblich, ob es die Illuminaten als Organisation noch immer gibt; entscheidend ist allein, wieweit ihre Gedanken und Ziele fortleben. Es gibt ja auch keine Pilgerväter mehr, aber ihre Grundsätze sind in den USA noch lebendig. Bezeichnend aber ist, dass sich im Jahre 1880 in München mehrere Meister des Freimaurer-Bundes zusammengetan haben, um den Orden der Illuminaten wieder aufleben zu lassen. Die Gemeinsamkeiten unter diesen beiden Bünden sind denn auch nicht zu übersehen. Es sind diese neben der Exklusivität und der Überzeugung von der Erwähltheit vor allem die Absicht, die Welt nach dem eigenen Muster zu verbessern.

Niederschlag finden diese Gedanken in der Politik der USA, um es in einem Wort auszudrücken, im Anspruch auf die so bezeichnete „Exzeptionalität“. Besonders Präsident Barack Obama hat sich gerne darauf berufen, wahrscheinlich um die Kriege zu rechtfertigen, die er begonnen hat. Gemeint ist damit eine unvergleichliche Ausnahmestellung der USA unter den Völkern und Staaten der Welt, die Amerika dazu berechtigt, wenn nicht gar verpflichtet, den anderen den Weg zum irdischen Glück zu weisen.

„Regelbasierte Weltordnung“

In diesem Zusammenhang ist oft von einer „regelbasierten Weltordnung“ die Rede. Das klingt gut, denn wer könnte nicht eine geregelte Ordnung unter den Völkern gutheißen – er wäre denn ein Anarchist. Doch was dahintersteckt, wird offenbar, wenn man sieht, was Thomas P. M. Barnett, dazu sagt, einer der einflussreichen Denker im Lande. Er versteht die Globalisierung als ein System von Sicherheitsregeln und nennt als die Aufgabe der USA den „Export von Sicherheit“. Doch die Geschäftsgrundlage ist: Niemand anders als die USA setzen die Regeln, nach welchen die Welt zu funktionieren hat. Barnett: „Es geht also nicht nur darum, dass Amerika sich im Recht sieht, für den ganzen Planeten darüber zu entscheiden, wie, wann, wo und warum Kriege geführt werden.“ Es geht um die Weltordnung überhaupt. Deshalb auch der Titel von Barnetts Buch: „Der Weg in die Weltdiktatur“.

Ohne den Anspruch auf Erwähltheit, die Exzeptionalität, den Sendungsauftrag durch das Schicksal und die Befugnis, über gut und böse zu richten, kann man derartige Strategien nicht entwickeln. Der Berater von vier US-Präsidenten; Zbignew Brzezinski, Barnetts Vorläufer im Geiste, drückt sich zwar weniger kriegerisch aus, aber in demselben Grundton: „Amerika steht im Mittelpunkt eines ineinandergreifenden Universums, in dem Macht durch dauerndes Verhandeln, im Dialog, durch Diffusion und in dem Streben nach offiziellem Konsens ausgeübt wird, auch wenn diese Macht letztlich von einer einzigen Quelle, nämlich Washington D.C. ausgeht. Das ist auch der Ort, wo sich der Machtpoker abspielt, und zwar nach amerikanischen Regeln.“