Der Rundblick von der Festung Königstein im Herzen des Elbsandsteingebirges wirkt nahezu perfekt. Nur im Südosten wird das Idyll durch einen Schandfleck gestört. Das ist die Halde im Schüsselgrund, welche zu den Hinterlassenschaften des Uranbergbaus in der Region zählt.
Der begann nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, weil die Sowjetunion dringend Uran für ihr Atombombenprogramm benötigte, aber noch keine Fördermöglichkeiten im eigenen Lande sah. Also schickte Moskau Suchtrupps nach Sachsen, wo der Freiberger Hüttenkundler Carl Schiffner zu Beginn des 20. Jahrhunderts vielversprechende Mineralvorkommen lokalisiert hatte. Und die Sowjetgeologen wurden auch bald fündig. Daraus resultierte ein Beschluss des Moskauer Ministerrates vom 29. Juli 1946 zur Umbenennung der sogenannten Gewinnungs- und Erkundungsgruppe in Sächsische Bergbauverwaltung des Ministeriums des Innern der UdSSR. Diese sorgte dafür, dass bis Ende 1946 bereits die ersten 15,7 Tonnen Uran aus der Region um Johanngeorgenstadt und Schneeberg nach Osten gingen.
Gesundheitliche Belastungen
Im Mai des folgenden Jahres befahl die sowjetische Militäradministration die Übergabe der sächsischen Bergbaubetriebe als Reparationsleistung. Daraufhin wurde am 4. Juni 1947 eine in Aue sitzende deutsche Zweiggesellschaft der in Moskau sitzenden staatlichen Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie namens „Wismut“ gegründet. Diese entwickelte sich schnell zum größten Uranlieferanten der Sowjetunion, die im August 1949 ihre erste eigene Atombombe zu zünden vermochte. Dafür waren vor allem zwei Faktoren verantwortlich: Zum einen konnte der außergewöhnlich hohe Arbeitskräftebedarf der Wismut AG von ungefähr 200.000 Beschäftigten problemlos durch Zwangsverpflichtungen gemäß dem Kontrollratsbefehl Nr. 3 vom 17. Januar 1946 gedeckt werden. Zum anderen erfolgte eine Ausdehnung der Bergbauaktivitäten des Unternehmens nach Thüringen und in andere Bereiche Sachsens.
Ende 1950 stammten sechs Zehntel des von der UdSSR benötigten Urans aus der nunmehrigen DDR. Der Rest kam aus der Tschechoslowakei, Polen, Bulgarien sowie nun auch der Sowjetunion selbst.
Zum 1. Januar 1954 wurde die Wismut AG in die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut umgewandelt, die bis zum 1. Januar 1991 existierte. In der Zeit ihres Bestehens ab 1947 lieferte die Aktiengesellschaft insgesamt 216.300 Tonnen hochkonzentriertes Uran, für die rund 200 Millionen Tonnen Erz zutage gefördert werden mussten.
Der Abbau des strategisch wichtigen Rohstoffes erfolgte vor allem an den Standorten Schneeberg, Schlema, Alberoda, Gera, Ronneburg, Königstein, Culmitzsch, Zobes, Bergen, Freital, Dresden-Gittersee, Johanngeorgenstadt und Pöhla. Zur Weiterverarbeitung standen zwei große Aufbereitungsanlagen in Crossen und Seelingstedt zur Verfügung. Wirtschaftlich war das Ganze nie.
Finanzielle Belastungen
Das stellte eine schwere Belastung für die DDR dar, welche die Hälfte des Aktienkapitals der SDAG von zwei Milliarden Ostmark bereitzustellen hatte. Die Zuschüsse zur Sicherung des Betriebs der Gesellschaft beliefern sich auf weitere 25 Milliarden DDR-Mark.
Dazu kamen massive Umweltschäden durch die giftigen Rückstände der Uran-Aufbereitung. Die kontaminierten am Ende eine Fläche von rund 3700 Hektar. Des Weiteren hinterließ das Bergbauunternehmen Schlammteiche mit einem Volumen von über 160 Millionen Kubikmetern und gigantische, landschaftsverunstaltende Abraumhalden aus 310 Millionen Kubikmetern totem Gestein. Außerdem verursachte der oberflächennahe Uranabbau folgenschwere Bodenabsenkungen. So sackten Teile von Schlema um zwölf Meter in die Tiefe, und das historische Zentrum von Johanngeorgenstadt wurde regelrecht verwüstet.
Von den vor allem in der Anfangszeit der Gesellschaft vielfach zwangsverpflichteten Bergleuten starben mindestens 772 bei Arbeitsunfällen. Gegen weitere 70 Beschäftigte erließ die Sowjetjustiz Todesurteile wegen angeblicher Spionage beziehungsweise Sabotage oder „Erzschmuggels“. Ansonsten litten 1989 über 20.000 ehemalige Wismut-Kumpel unter Silikose oder Lungenkrebs. Im Zeitraum von 1991 bis 2011 zahlte die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) an die Betroffenen eine Milliarde Euro an Entschädigungen.
Ökologische Belastungen
Dies resultierte daraus, dass die alleinige Verantwortung für die Gesellschaft und deren ehemalige Mitarbeiter sowie die ökologischen Altlasten des Uranbergbaus in Thüringen und Sachsen mit der Vereinigung auf die Bundesrepublik übergegangen war. So sah es ein deutsch-sowjetischer Staatsvertrag vom 16. Mai 1991 vor, der am 20. Dezember des Jahres in Kraft trat und die Übertragung der Aktienanteile der UdSSR an den deutschen Staat vorsah. Acht Tage zuvor hatte der Bundestag das „Wismut-Gesetz“ beschlossen, das die Umwandlung der SDAG in das bundeseigene Sanierungsunternehmen Wismut GmbH regelte. Um an den Wismut-Standorten wieder akzeptable Lebens- und Umweltverhältnisse zu schaffen, wendete der deutsche Staat bislang mehr als sieben Milliarden Euro auf.
Dem standen nur noch geringe Einnahmen aus dem Verkauf der restlichen Uran-Bestände sowie dem Entsorgungsbergbau gegenüber. Dessen Zweck war die Minimierung der Kontaktflächen zwischen den Erzgängen und dem Wasser zur finalen Flutung der Schächte. Die Wismut GmbH förderte noch einmal 3089 Tonnen Uran und erlöste damit etwa 67 Millionen Euro. Die letzte kommerzielle Uranlieferung verließ den Standort in Königstein am 1. Juni 2021. Sie ging an die tschechische Niederlassung der US-Firma Nuclear Fuels Corporation. Seither gehört Deutschland nicht mehr zum Kreis der Uran produzierenden Staaten.
Noch bis 2050 sind Finanzmittel für die Sanierung eingeplant. Allerdings wird das weltweit beispiellose Unterfangen der Wismut-Sanierung – so zum Beispiel auf dem Gebiet der Grundwassersicherung – wohl auch danach noch fortgesetzt werden müssen und den deutschen Steuerzahler weiter Geld kosten. Manche Experten, wie der Leiter des Museums für Uranerzbergbau in Bad Schlema, Hermann Meinel, sprechen hier sogar von einer „Ewigkeitsaufgabe“.