25.04.2024

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Folge 22-22 vom 03. Juni 2022 / Ferdinand Schulz / Der Ikarus von Ostpreußen / Der gebürtige Lehrersohn aus dem Kreis Rößel begeisterte sich seit jeher für das Fliegen – Bedeutender Segelflieger seiner Zeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-22 vom 03. Juni 2022

Ferdinand Schulz
Der Ikarus von Ostpreußen
Der gebürtige Lehrersohn aus dem Kreis Rößel begeisterte sich seit jeher für das Fliegen – Bedeutender Segelflieger seiner Zeit
Wolfgang Kaufmann

Nach dem Ersten Weltkrieg verhängten die Siegermächte ein weitgehendes Startverbot für deutsche Motorflugzeuge, das bis Mai 1926 galt. Deshalb wandten sich viele Luftfahrtenthusiasten in der Weimarer Republik dem Segelflug zu. Ihr Haupttreffpunkt wurde dabei die 950 Meter hohe, grasbewachsene Wasserkuppe in der Rhön. Hier glitt Arthur Martens am 18. August 1922 erstmals über eine Stunde lang antriebslos durch die Luft. Dann freilich errang ein anderer Pilot nach und nach alle Segelflug-Weltrekorde der damaligen Zeit. Dies war der sogenannte „Ikarus von Ostpreußen“, Ferdinand Schulz.

Pilot statt Lehrer

Der Lehrersohn wurde am 18. Dezember 1892 in Pissau (später Waldensee) im Landkreis Rößel geboren und sollte auf Wunsch seines Vaters ebenfalls Lehrer werden. Ihn selbst zog es aber eher in die Lüfte, nachdem er während der Ausbildung auf dem Lehrerseminar in Thorn die Bekanntschaft einiger Heerespiloten gemacht hatte. 

Ab April 1914 stand jedoch zunächst der Wehrdienst im Danziger Infanterie-Regiment Nr. 128 an. Kurz nach dessen Beginn brach der Erste Weltkrieg aus. Nach zwei Verwundungen durfte der inzwischen mehrfach ausgezeichnete und beförderte Schulz schließlich am 22. Februar 1917 zu den Fliegern wechseln. Dem folgten bis zum 8. Juni desselben Jahres 53 Schul- und 42 Alleinflüge – dann gab es den offiziellen Pilotenschein. Bis zum Ende des Krieges absolvierte Schulz 97 Feindflüge mit einem einmotorigen Schlachtflugzeug vom Typ Halberstadt CL. Am 28. Oktober 1918 endete seine Karriere als Militärflieger mit der Ablieferung dieser Maschine in Frankfurt an der Oder. Anschließend kehrte der nunmehrige Staffelführer und Leutnant der Reserve in die Heimat zurück.

Hier arbeitete er nachfolgend in Jehlenz und später in Neumark als Lehrer. Gleichzeitig begann Schulz mit dem Bau einfachster Segelflugzeuge aus Türscharnieren, ausgesonderten Armee-Bettbezügen und Holzresten jeglicher Art bis hin zu alten Weihnachtsbäumen. Deshalb erhielt das Modell F.S.3, welches wegen seiner abenteuerlichen Konstruktion nicht zu den offiziellen Rhön-Wettbewerben auf der Wasserkuppe zugelassen wurde, auch den Spitznahmen „Besenstielkiste“. 

Diese durfte dann aber beim ersten Deutschen Küstenflugwettbewerb im Mai 1923 auf der Kurischen Nehrung starten, woraufhin Schulz sogleich den Hauptpreis für die Bewältigung der damals noch ehrfurchtgebietenden Distanz von 5,2 Kilometern gewann, den er von keinem Geringeren als Prinz Heinrich von Preußen überreicht bekam.

Erfolg mit der „Besenstielkiste“

Anschließend avancierte Rossitten, wo es aufgrund der geographischen Verhältnisse beständig starke Aufwinde gab, schnell zum zweiten Zentrum der Segelfliegerei in der Weimarer Republik. Der wichtigste Markstein auf diesem Wege war der 

11. Mai 1924. An jenem Tag stellte Schulz im Rahmen des zweiten Küstenflugwettbewerbes einen sensationellen Weltrekord im Dauerflug auf: Seine vielfach verlachte „Besenstielkiste“ hielt sich unglaubliche acht Stunden und 42 Minuten in der Luft! 

Doch damit nicht genug: Bis 1928 errang der Ostpreuße weitere sechs Segelflug-Weltrekorde. Zunächst verbesserte er seine eigene Leistung im Dauerflug am 2. Oktober 1925 während des 3. sowjetischen Allunions-Segelflugwettbewerbs auf der Krim auf 12 Stunden und sieben Minuten, wobei Schulz zugleich noch mit 435 Metern einen neuen Höhenrekord aufstellte. Dem folgte am 

3. Juli 1926 der Dauerflugrekord für Doppelsitzer von neun Stunden und 

21 Minuten. Dann gelang ihm am 3. Mai 1927 beim vierten Küstenflugwettbewerb in Rossitten ein Pendelstreckenrekord mit 456 Kilometern in 14 Stunden und sieben Minuten sowie ein paralleler Geschwindigkeitsrekord vom 54,5 Stundenkilometern. Dazu kam zu guter Letzt am 4. Mai 1928 der nächste Höhenweltrekord von 652 Metern über Grunau im Riesengebirge.

Segelfliegerschule in Rossitten

Nach der Aufhebung des Motorflugverbotes seitens der Siegermächte erneuerte Schulz seine alte Pilotenlizenz und fungierte anschließend als Fluglehrer auf Propellermaschinen, zuletzt bei der Akademischen Fliegergruppe Danzig. Außerdem leitete er die Segelfliegerschule in Rossitten, an der in der Folgezeit auch viele spätere Prominente wie der Raketenkonstrukteur Wernher Freiherr von Braun, die Fliegerlegende Hanna Reitsch und der Generalluftzeugmeister Ernst Udet sowie die Segelflug-Mehrfachweltrekordler Günther Groenhoff und Heini Dittmar Flugunterricht erhielten.