24.04.2024

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Folge 22-22 vom 03. Juni 2022 / Pfingsten in Ostpreussen / Von Maien, Alwieteschaukel und Kalmus / Zum Fest der Erneuerung pflegten die Ostpreußen neben altbekannten auch ganz eigene Bräuche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-22 vom 03. Juni 2022

Pfingsten in Ostpreussen
Von Maien, Alwieteschaukel und Kalmus
Zum Fest der Erneuerung pflegten die Ostpreußen neben altbekannten auch ganz eigene Bräuche
Bärbel Beutner

In Ostpreußen gab es besondere Pfingstbräuche, die Hedwig von Lölhöffel-Tharau in dem Arbeitsbrief der Landsmannschaft Ostpreußen „Vom Festefeiern in Ostpreußen“ festgehalten hat. Zu Pfingsten wurde das Haus mit Birkenzweigen geschmückt, genannt „die Maien“, die einen frischen Duft verströmten. Noch intensiver duftete der Kalmus, der auf den Dielen des Fußbodens ausgestreut wurde. Diese Pflanze stammt aus Asien, ein „Aronstabgewächs mit sumpfgrasähnlichen Blättern und einem Zapfen grüner Blütchen, der einem blattähnlichen Schaft seitlich entragt. Die Pflanze, die aus Asien stammt, wird in der Brockhaus-Enzyklopädie beschrieben. Aus dem Kalmus gewannen schon die Babylonier und Ägypter Medizin und Parfüm. In Ostpreußen fand diese Schilfpflanze gute Bedingungen vor und kam, kleingehackt und Duft verströmend, an Pfingsten zu hohen Ehren.

Aus Weiden und Birken geflochten

„Maibaum“ und „Pfingstochse“ sind allgemein bekannt, aber die „Alwieteschaukel“ traf man nur in Ostpreußen und wohl auch in Litauen an. „Alwieten sind ein weidenartiges Gebüsch mit recht schmalen Blättern, dessen Triebe von ungeheurer Widerstandsfähigkeit sind“, berichtet ein Landsmann aus der Tilsiter Gegend. Zwei junge Birkenbäume von etwa vier Metern Länge mit guten Baumkronen wurden herbeigeschafft und die Kronen mit den Alwieten zu Kränzen verflochten. Durch diese Kränze schob man ein Rundholz, etwa 2,5 Meter lang. Die Stämme waren die Stangen der Schaukel, die nun zwischen zwei kräftigen Kiefernstämmen in dem Kronengehölz befestigt wurde. Am unteren Ende der Birkenstangen brachte ein Sitzbrett an.

Auf dieser Schaukel nahmen vor allem Liebespaare Platz. Das Mädchen setzte sich hin, der Bursche stellte sich dahinter und versuchte, seine Auserwählte möglichst hoch zu schwingen. Sogar ein Überschlag wurde mitunter angestrebt. Die Weidengerte (litauisch „alwite“) soll lebensspendende Kraft haben – für junge Paare ein wichtiger Punkt.

In Agnes Miegels Ballade „Das Märchen von der schönen Mete“ vollzieht sich an Pfingsten eine tiefe Erneuerung. Die schöne Mete ist ein Findelkind, das nackt vor der Tür des Schulzen gelegen hat. Der Sohn des Schulzen liebt die herangewachsene Schönheit und nimmt sie zur Frau. Ihre Herkunft bleibt dunkel. „Und würde deine Mutter eine Hexe sein,/Du wunderschöne Mete, Dich nur will ich frein!“ An Pfingsten trägt die schöne Mete ihr Kind zur Taufe, als der „Großknecht am Tore die Maien anschlug“. Da bricht die Geisterwelt oder das Heidentum über Mete herein. Sie kommt aus dem Elfenland, bereut bitter ihre Liebe zu einem Sterblichen und will zurück zu ihren Schwestern mit den „grünfunkelnden Augen“. Doch ihr Mann hält sie fest und besiegt den Zauber mit der Kraft seiner Liebe. Mete lässt das „Elfenland“ endgültig zurück und gehört nun zu ihrem „liebsten Mann“ und zu ihrem Kind. „Wie läuten die Glocken lieblich im Heimatland!“

Das Heidentum brach sich auch in der Johannisnacht in Ostpreußen Bahn. Die heidnische Sonnenwendfeier in der Mittsommernacht bekam bei der Christianisierung den Bezug zu Johannes dem Täufer. Seit dem 12. Jahrhundert sind die Johannisfeuer in Europa bezeugt, aber auch Wasser spielte eine Rolle ähnlich wie zu Ostern. Reinigung und Erneuerung ergeben sich durch Wasser und durch Feuer.

Zwischen Heiden- und Christentum

Das Wissen um die Heilkraft der Natur vererbten die alten Prußen an ihre christlichen Nachfolger. Heilkräuter sollten vor der Sommersonnenwende geerntet werden, weil die Wirkung sich später abschwächt. „So sammelte man in Natangen und im Samland neunerlei Kräuter und flocht sie in der Johannisnacht zum Kranz“, schildert Hedwig von Lölhöffel. Schafgarbe, Johanniskraut, Kamille, Labkraut, Schachtelhalm waren dabei. Man legte sie, zum Kranz geflochten, unter das Kopfkissen. Der Traum in der Johannisnacht ging dann in Erfüllung.

In der frühen Ballade „Elfkönig“ (1900) erwähnt Agnes Miegel diesen Brauch. „Johannisabend im Vollmondschein,/Neunerlei Kräuter sucht ich am Rain“. 

Das Johannisfeuer wurde auf verschiedene Weise abgebrannt. Im Kreis Darkehmen wurde ein Wagenrad mit Teer bestrichen und mit Tannenästen umwunden. In der Tilsiter Gegend steckte man Hafer und Stroh in ein großes Fass, goss Teer hinein  und befestigte das Fass an einem Pfahl. Der wurde in die Erde gegraben,und die Leute tanzten um das lodernde Feuer. Das Johannisfeuer sollte Unwetter vom ganzen Land abhalten.