06.05.2024

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Folge 23-22 vom 10. Juni 2022 / Monarchie / Zerbricht das Vereinigte Königreich? / In Schottland lauert die SNP auf ihre zweite Chance, in Nordirland ist die linke Sinn Féin auf dem Vormarsch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-22 vom 10. Juni 2022

Monarchie
Zerbricht das Vereinigte Königreich?
In Schottland lauert die SNP auf ihre zweite Chance, in Nordirland ist die linke Sinn Féin auf dem Vormarsch

Ganz Großbritannien hat am Wochenende das 70. Thronjubiläum Elisabeths II. gefeiert. Ganz Großbritannien? Nein, in Schottland und Nordirland blieb der Jubel sehr verhalten. Gefeiert hat vor allem England. Millionen Engländer verfolgten die Festzüge und Militärparaden in London, schwenkten Fähnchen, organisierten Straßenfeste. Laut einer aktuellen Umfrage ist der Rückhalt für das Königshaus stark. Fast zwei Drittel (62 Prozent) wollen die Monarchie beibehalten. Aber immerhin 22 Prozent der Briten hätten lieber ein gewähltes Staatsoberhaupt.

In Schottland ist die Bindung ans Königshaus viel schwächer. Nur eine Minderheit (45 Prozent) feierte dort die Queen. Seit Jahrzehnten rüttelt eine breite Unabhängigkeitsbewegung an der seit 1707 bestehenden politischen Verbindung Schottlands mit England. Die seit 2007 in Edinburgh regierende Scottish National Party (SNP) trommelt für die Abspaltung das nördlichen Landesteils mit fünf Millionen Einwohnern. Ihr erster Versuch, das Unabhängigkeitsreferendum 2014, ging klar daneben. Nun lauert die SNP-Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon auf eine zweite Chance.

Ein wichtiger Faktor beim Aufstieg der schottischen Unabhängigkeitsbewegung war das in der Nordsee gefundene Erdöl. Aberdeen wurde die Ölindustriehauptstadt Europas. Die Öleinnahmen sinken aber, und die SNP will eigentlich weg von Erdöl und Erdgas. Die mit den Grünen koalierende SNP ist zwar formell eine Partei der „Nationalisten“, aber in den meisten politischen Fragen hat sie sich deutlich links positioniert. Sie fordert mehr Sozialstaat, gibt sich feministisch, grün und multikulturell. Transgender-Rechte stehen weit oben auf ihrer Agenda. Ein Hauptziel der SNP wäre es, wieder Mitglied der EU zu werden. Ob aber bei einem neuen Referendum die Schotten für den „Scot-Exit“ stimmen würde, ist alles andere als sicher. Laut der jüngsten Umfrage für die Zeitung „The Scotsman“ zeigt sich die Bevölkerung exakt 50 zu 50 gespalten.

Die Rückkehr der irischen Frage 

Dramatisch ist die Entwicklung in Nordirland. Die dortigen Vertreter des „Unionism“, der Einheit des United Kingdom, haben jüngst eine schwere Niederlage erlitten. Bei der Regionalwahl im Mai kam die konservative DUP-Partei nur noch auf den zweiten Platz. Stärkste Kraft ist nun mit 29 Prozent die irisch-republikanische Sinn Féin. „Das war ein politisches Erdbeben“, sagt der Politikprofessor Jon Tonge. Älteren Bürgern läuft noch immer ein Schauer den Rücken hinunter, denn Sinn Féin agierte jahrzehntelang als der politische Arm der IRA (Irish Republican Army), die für Hunderte tödliche Anschläge verantwortlich war. Nun hat Sinn Féin im Norden als freundliches Gesicht Michelle O’Neill als Ministerpräsidentin nominiert. Die DUP legt sich indes quer. Die Politik in der kleinen Provinz Ulster (zwei Millionen Einwohner) ist faktisch gelähmt.

Sinn Féin glaubt, langfristig laufe alles auf die Wiedervereinigung der seit 1921 geteilten grünen Insel zu. Auch im Süden, in der Republik Irland, sind die linken Nationalisten auf dem Vormarsch. Die irischen Republikaner stehen noch weiter links als die SNP. Im Europaparlament sitzen sie mit der deutschen Linkspartei in einer Fraktion. Sinn-Féin-Chefin Mary Lou McDonald glaubt, dass in fünf Jahren ein Referendum über die irische Einheit möglich sei. Zwar ist laut Umfragen derzeit nur eine Minderheit in Nordirland dafür, doch steigt deren Anteil. 

Der strauchelnde Londoner Premier hat all dem wenig entgegenzusetzen. Insgesamt zeigt sich, dass in Johnsons Regierungszeit die Fliehkräfte des Vereinigten Königreichs zugenommen haben.