06.05.2024

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Folge 23-22 vom 10. Juni 2022 / Stadtpolitik / Ideologie statt Problemlösung / Ukraineflüchtlinge, Wohnungsmangel, Schulkrise: Die Hauptstadt ist zunehmend überfordert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-22 vom 10. Juni 2022

Stadtpolitik
Ideologie statt Problemlösung
Ukraineflüchtlinge, Wohnungsmangel, Schulkrise: Die Hauptstadt ist zunehmend überfordert
Norman Hanert

Nur wenige Tagen nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine kündigte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) an: „Wir werden alle Flüchtlinge aufnehmen.“ Beim Besuch eines Seniorenwohnheims präsentierte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) unlängst die Idee, die deutsche Hauptstadt zum „Drehkreuz“ für pflegebedürftige Ukrainer zu machen. Nach Angaben der Senatskanzlei haben schätzungsweise rund zehn Prozent der ankommenden Ukrainer einen Pflegebedarf, rund sieben Prozent eine Behinderung.

Da ukrainische Staatsbürger für einen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen visumsfrei nach Deutschland einreisen dürfen, ist die genaue Zahl der Kriegsflüchtlinge nicht zu ermitteln. Allein im bundesweiten Verteilungssystem „Free“ des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) waren mit Stand vom 13. Mai jedoch bereits 831.900 Menschen registriert, die aus der Ukraine nach Deutschland gekommen waren. Sieht man von der Dunkelziffer der nicht registrierten Personen ab, dürfte die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge in Deutschland damit in den nächsten Wochen die Millionenmarke übersteigen. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2015 registrierte das BAMF insgesamt etwa 890.000 Personen, die einen Schutzstatus beantragten.

Bauprogramm verfehlt sein Ziel klar

Allein in Berlin sind in den vergangenen Wochen etwa 100.000 Menschen aus der Ukraine angekommen. Nach Angaben von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) haben bisher 55.000 Ukrainer einen Antrag auf eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung gestellt.

In Berlin treffen die Flüchtlinge allerdings auf eine Stadt, die auf zentralen Gebieten wie etwa dem Wohnungsbau, im Bildungswesen oder in der öffentlichen Verwaltung ohnehin schon deutliche Zeichen der Überforderung und Funktionsuntüchtigkeit zeigt. Erst vor Kurzem dämpfte Geisel auf einem für die Berliner besonders wichtigen Thema, dem Wohnungsmangel, die Erwartungen auf eine baldige Besserung.

Angekündigt hatte die rot-grün-rote Koalition, innerhalb von zehn Jahren 200.000 neue Wohnungen zu bauen. Trotz steigender Inflation und stark anziehender Baupreise bestätigte Geisel dieses Ziel der Koalition jüngst noch einmal. Er räumte dabei allerdings ein: „Linear geht es bestimmt nicht, also immer 20.000 pro Jahr.“ Im Klartext heißt dies nichts anderes, als dass die Koalition beim Wohnungsneubau derzeit nicht liefern kann und die Berliner auf die kommenden Jahre hoffen müssen. 

Geisel selbst wies darauf hin, dass beim Wohnungsbau „die Preisentwicklung, vor allem die Inflationsentwicklung in den letzten Wochen“ alles andere als hilfreich gewesen sei. Tatsächlich kämpft die Baubranche derzeit in ganz Deutschland mit unkalkulierbaren Preissteigerungen und Lieferengpässen bei wichtigen Baumaterialien, zum Teil belastet zudem Personalmangel die Betriebe. Angesichts der Probleme beim Wohnungsbau werden innerhalb der rot-grün-roten Koalition die Ideen, wie dem Wohnungsmangel beizukommen sei, inzwischen immer ungewöhnlicher.

Linksradikale Traumvorstellungen

Niklas Schenker, der Bauexperte der Linkspartei-Fraktion im Abgeordnetenhaus, schlug nun sogar vor, in Berlin eine öffentliche Bauwirtschaft aufzubauen. Gegenüber dem rbb sagte der Politiker, es müsse darum gehen, sich unabhängiger vom Weltmarkt zu machen. Als Traumvorstellung bezeichnete es der 29-jährige Politikwissenschaftler, beim Bauen von der Planung bis zur Fertigstellung, landeseigene Leistungen bieten zu können.

Laut Schenker gehen in der Linkspartei bereits seit einigen Jahren entsprechende Ideen um. Nachgedacht haben die Genossen offenbar auch schon, ob das Land Berlin nicht ein eigenes Zementwerk benötigt. „Auf diese Weise könnten wir uns von Marktdynamiken weniger beeindruckt zeigen“, so Schenker.

Auch im Bildungsbereich treffen die Flüchtlinge aus der Ukraine auf ein System, das insbesondere durch Lehrermangel bereits an seiner Belastungsgrenze angekommen ist. Nach Angaben der Kultusministerkonferenz (KMK) besuchen mittlerweile 113.584 geflüchtete Kinder aus der Ukraine deutsche Schulen. 

Bewahrheiten sich Maximalschätzungen der Bundesregierung, dass insgesamt eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland kommen, dann ist nach Angaben der Leiterin der KMK, der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien (CDU), mittelfristig sogar damit zu rechnen, dass 400.000 ukrainische Kinder zusätzlich an deutschen Schulen unterrichtet werden müssen.