07.05.2024

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Folge 23-22 vom 10. Juni 2022 / Nordrhein-Westfalen / Grüne Regierungspolitik mit schwarzem Regierungschef? / Folgt man dem Sondierungspapier, wird zukünftig nicht nur in der Energie-, sondern auch in der Innenpolitik der Schwanz mit dem Hund wedeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-22 vom 10. Juni 2022

Nordrhein-Westfalen
Grüne Regierungspolitik mit schwarzem Regierungschef?
Folgt man dem Sondierungspapier, wird zukünftig nicht nur in der Energie-, sondern auch in der Innenpolitik der Schwanz mit dem Hund wedeln
Norman Hanert

Wähler, die sich bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl am 15. Mai vor allem auf der Grundlage des Wahlprogramms für die CDU entschieden haben, müssen sich auf eine herbe Enttäuschung gefasst machen. Obwohl die Union aus der Wahl als eindeutiger Sieger hervorging, trägt das nun vorgelegte Sondierungspapier für ein erstes schwarz-grünes Regierungsbündnis in Nordrhein-Westfalen ganz stark die Handschrift der Grünen. Typische CDU-Themen und -Anliegen sind nur noch in geringer Dosis erkennbar.

Das von der CDU vor einigen Monaten vorgelegte Wahlprogramm für Nordrhein-Westfalen war geprägt von Aussagen wie „Family first!“, „Null Toleranz gegenüber Kriminellen“ und „Für einen starken Mittelstand“. Die Digitalisierung benannte die Partei ausdrücklich als Treiber wirtschaftlicher Entwicklung. Im Programm bekannte sich die Union ebenfalls zu einem vorgezogenen Kohleausstieg bis 2030, allerdings hieß es auch: „Energie muss sicher und bezahlbar bleiben.“ Die Akzeptanz für Windenergie wollte die CDU „durch Beteiligung der Kommunen und Anwohner am Ertrag“ erhöhen.

Energiepolitik

Die Schwerpunkte, die der Wahlsieger CDU und die drittplatzierten Grünen nun in ihrem zwölfseitigen Sondierungspapier nennen, sehen doch deutlich anders aus. Beide Parteien erklären nun zu einem Kernziel, Nordrhein-Westfalen „zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas“ machen zu wollen. Dementsprechend heißt es nun im Sondierungspapier: „Der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien ist daher von überragendem öffentlichem Interesse.“ Konkret wollen CDU und Grüne in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland mindestens 1000 zusätzliche Windkraftanlagen aufstellen. Ausdrücklich wird dabei auch die Möglichkeit genannt, solche Anlagen auf Forstflächen, also in Wäldern, zu errichten. Einig sind sich die beiden Partner offenbar auch, dass zur Umsetzung der Ausbaupläne einschlägige rechtliche Regelungen „grundlegend überprüft werden“. Stark in Gefahr ist damit die bisherige Mindestabstandsregelung für Windkrafträder in NRW. Die vorige Regierungskoalition aus CDU und FDP hatte erst im vergangenen Juli beschlossen, dass zwischen neuen Windenergieanlagen und Wohnbebauungen mindestens ein Kilometer Abstand liegen muss. Noch im März hatte die bisherige Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) die Mindestabstandsregelung im Düsseldorfer Landtag als „Befriedungsgrenze“ verteidigt.

Um den Bau von Windkraftanlagen zu beschleunigen, wollen CDU und Grüne unter dem Motto „wir werden ermöglichen, nicht verhindern“ offenbar sogar den Naturschutz einschränken. Im Sondierungspapier heißt es zum Ausbau der Windkraftanlagen: „Auch dafür wird eine Konzentration der Belange des Arten- und Naturschutzes im Rahmen des EU-Rechts auf den Schutz von gefährdeten Populationen sowie die Abschaffung der pauschalen Abstandsregelung notwendig sein.“ Fotovoltaikanlagen wollen beide Parteien auch auf „schwachen Agrarflächen“ ermöglichen.

 Nach Abschluss der viertägigen Sondierungsgespräche dankte der NRW-Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Hendrik Wüst den Grünen für „konstruktive, ernsthafte und den Herausforderungen angemessene Beratungen“. Der 46-Jährige betonte zudem: „In der Versöhnung von vermeintlichen Gegensätzen liegt die Kraft für unsere Zukunft.“ 

Die Grünen gehen auf Basis des Sondierungspapiers offenbar voller Zuversicht in die Koalitionsverhandlungen mit der CDU. Selbst die Grünen-Landtagsfraktionschefin Verena Schäffer, die bislang immer wieder etwas an NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zu kritisieren hatte, lobt das Sondierungspapier: „Als Bürgerrechtlerin, als Innenpolitikerin stehe ich voll und ganz hinter diesem Papier, weil es wirklich gut ist.“ 

Innenpolitik

Ein Blick in das Sondierungspapier zeigt tatsächlich, dass die NRW-CDU den Grünen auch im Bereich der Innenpolitik sehr weit entgegengekommen ist. Als bisheriger Innenminister hatte der CDU-Politiker Reul die Bekämpfung der Clankriminalität zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht. Noch in ihrem Wahlprogramm kündigte die CDU „null Toleranz gegenüber Kriminellen“ an. Ganz konkret hieß es dazu von den Christdemokraten: „Die Clankriminalität werden wir weiter entschlossen bekämpfen, bspw. indem wir ihnen die Autos wegnehmen.“ 

Im Sondierungspapier mit den Grünen wird nun allerdings der Rechtsextremismus als derzeit „größte Gefahr für unsere Demokratie“ bezeichnet. Nach dem Willen des geplanten schwarz-grünen Regierungsbündnisses sollen die Sicherheitsbehörden weiterhin konsequent gegen Rechtsextremismus vorgehen und „dabei auch neue Herausforderungen wie Hate Speech und Verschwörungsmythen in den Blick nehmen“.