06.05.2024

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Folge 23-22 vom 10. Juni 2022 / Weltpolitik / Europa zwischen den Fronten / Josef Braml nimmt eine kritische Haltung gegenüber den USA ein und warnt vor deren nationalistisch und egoistisch ausgerichteter Politik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-22 vom 10. Juni 2022

Weltpolitik
Europa zwischen den Fronten
Josef Braml nimmt eine kritische Haltung gegenüber den USA ein und warnt vor deren nationalistisch und egoistisch ausgerichteter Politik
Dirk Klose

Von so unterschiedlichen Politikern wie Otto von Bismarck und Egon Bahr wird fast gleichlautend überliefert: Staaten haben Interessen, aber nicht Werte. Das klingt zynisch, ist aber doch ziemlich realistisch. Josef Braml, Autor des Buches „Die transatlantische Illusion“, fordert die Europäer vehement auf, ihre eigenen weltpolitischen Interessen zu verfolgen, politisch und militärisch eigenständiger zu werden und nicht so sorglos wie bisher unter dem amerikanischen Schutzschirm zu leben. Der sei eine gefährliche Illusion, eine transatlantische Illusion. 

Der Autor hat in mehreren internationalen Gremien gearbeitet und ist mit den Verflechtungen zwischen Europa und den USA gut vertraut. Sein Buch kennzeichnet zum einen die Überzeugung, Amerika werde sich immer stärker dem als Bedrohung empfundenen China zuwenden, zum zweiten eine ungewöhnlich kritische Haltung gegenüber den USA selbst. Die USA würden dem selbstgesetzten Anspruch, Hüter einer liberalen Weltordnung zu sein, immer weniger gerecht. Zum Teil aus innerer Schwäche heraus als auch in dem Glauben, sich gegenüber China behaupten zu müssen, verfolgten die USA immer skrupelloser eine nationalistische, geradezu egoistische Politik. Der militärische Schutzschirm werde erkauft mit politischer und wirtschaftspolitischer Unterordnung.

Für Europa könne das keine Zukunft sein. Der Kontinent müsse, so Braml, endlich politisch eins werden. Statt Einstimmigkeit müsse es in Brüssel zu qualifizierten Mehrheitsentscheidungen kommen, die eigenen Rüstungsanstrengungen müssten entgegen allen US-Interventionen gezielt fortgesetzt werden. Gegenüber Russland gelte Stärke und Verhandlungsbereitschaft zugleich: „Es muss mühsam Vertrauen aufgebaut werden, gerade indem man miteinander redet ...“

Das Buch ist eine dringliche Aufforderung an das auf neue Herausforderungen noch wenig vorbereitete Deutschland. Unser Land drohe in die Mühlsteine zwischen den USA und China zu geraten. Er gibt eine Reihe gut überlegter Empfehlungen, von denen man wünscht, sie würden auch in Berliner Ministerien zur Kenntnis genommen. Kritik möchte man gegenüber Passagen anmelden, Europa könne sich allein auf die atomaren Fähigkeiten Frankreichs und Großbritanniens verlassen. Das erscheint nicht realistisch! Solange der Ost-West-Konflikt andauert, hat Europa letzte Sicherheit wohl nur an der Seite der USA.             

Josef Braml: „Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können“, C.H.Beck Verlag, München 2022, broschiert, 176 Seiten, 16,95 Euro