25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 24-22 vom 17. Juni 2022 / Schwarzes Meer / Warum die Schlangeninsel Russlands erstes Ziel im Ukrainekrieg war / Der 41 Meter hoch aus dem Schwarzen Meer ragende weiße Felsen besitzt nur etwa ein Zehntel der Fläche Helgolands, aber seine strategische Bedeutung ist ungleich größer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-22 vom 17. Juni 2022

Schwarzes Meer
Warum die Schlangeninsel Russlands erstes Ziel im Ukrainekrieg war
Der 41 Meter hoch aus dem Schwarzen Meer ragende weiße Felsen besitzt nur etwa ein Zehntel der Fläche Helgolands, aber seine strategische Bedeutung ist ungleich größer
Bodo Bost

Die Schlangeninsel im Schwarzen Meer, die bereits im griechischen Altertum als Grab des Odysseus bekannt war, hatte im Laufe der Geschichte viele Besitzer. Im Jahre 1948 hat die damalige rumänische Außenministerin Ana Pauker, deren Ehemann Marcel einer der berüchtigtsten Schlächter Josef Stalins war, die bis dahin rumänische Insel Stalin geschenkt. Erst in den 70er Jahren erfuhr man in Rumänien davon. Als die Sowjetunion 1991 zerfiel, kam das Eiland, das nur etwa ein Zehntel der Fläche Helgolands besitzt, zur unabhängigen Ukraine. 

Bereits am ersten Tag des Ukrainekrieges wurde die von 13 ukrainischen Soldaten verteidigte Insel von Russland besetzt. Mitbeteiligt an der Eroberung war das damalige russische Flaggschiff der Schwarzmeerflotte, der Lenkwaffenkreuzer „Moskwa“, der wenig später von den Ukrainern versenkt wurde, und die und die Korvette „Wassili Bykow“. Die 13 gefangenen ukrainischen Soldaten sind mittlerweile als Folge eines Gefangenaustausches wieder frei. 

Direkt vor der Donaumündung

Die Länge wie Breite der Insel beträgt 660 Meter, die Fläche 17 Hektar und die Küstenlänge vier Kilometer. Dass die also wirklich winzige Insel bereits am ersten Tag des Krieges erobert wurde, war kein Zufall. Die strategische Bedeutung der Insel, die vor dem Krieg kaum jemand kannte, ist groß. Sie liegt nur 45 Kilometer vor der Küste des NATO-Mitgliedes Rumänien, direkt vor der Donaumündung und damit auch unweit der rumänisch-ukrainischen Grenze. Von der Schlangeninsel aus kann Moskau den gesamten nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres kontrollieren. Im Mai hat die Ukraine bei einem gescheiterten Versuch, die Kontrolle über die Insel zurückzugewinnen, große Verluste erlitten. 

Von der Schlangeninsel aus könnten die Russen Fallschirmjäger auf der besetzten Region Transnistrien in der Republik Moldau landen. Wer das Eiland kontrolliert, kann den Schiffsverkehr von und nach der Ukraine im Allgemeinen sowie von und nach Odessa im Besonderen blockieren. Damit hätte Russland ein Druckmittel, falls Odessa nach einem Waffenstillstand ukrainisch bleiben sollte. 

Erst seit 1948 nicht mehr rumänisch

Der Pariser Friedensvertrag von 1947 zwischen Rumänien und den Alliierten hatte die Insel Rumänien zugesprochen, sie wurde 1948 von Rumänien der damaligen UdSSR übertragen. 2009 entschied der Internationale Gerichtshof in Den Haag, dass Rumänien Anspruch auf knapp acht Zehntel des Festlandsockels hat und die Ukraine auf die verbleibenden knapp zwei Zehntel. In der Region vor der Küste werden große Bodenschätze vermutet.

Nicht weit südlich der Donaumündung und damit unweit der Schlangeninsel liegt die rumänische Hafenstadt Konstanza (Constanta). Dort landen jetzt Containerschiffe, die nicht mehr nach Odessa fahren können. 

„Die Schlangeninsel ist nicht die Krim, denn die Schlangeninsel ist keine bewohnte Insel. Die Russen können dort kein Referendum abhalten wie auf der Krim, um so ihre Annexion zu begründen“, sagte General Ștefan Dănilă, von 2011 bis 2014 Befehlshaber der rumänischen Armee, gegenüber Radio Free Europe, und: „Rumänien muss protestieren, wenn die Russen dort militärische Ausrüstung installieren, denn die Entfernung ist recht kurz.“ Der 1965 in der rumänischen Region Westmoldau geborene Offizier fügte hinzu: „Wenn wir klare Informationen haben, können wir die NATO um Konsultationen zu Artikel 4 bitten, da unsere Sicherheit direkt bedroht ist.“

Der Nordatlantikpakt hat seit Beginn des Krieges zusätzliche Truppen und militärische Ausrüstung nach Rumänien verlegt und die Grenzen des Landes verstärkt. Die Ukraine musste ihren Hafen in Odessa schließen und die lebenswichtigen Getreideexporte einstellen. Die Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres sind sich der strategischen Bedeutung der Schlangeninsel seit Langem bewusst. Auf der Insel befand sich bereits zu Zeiten der Sowjetunion eine Militärbasis. 

Nach Angaben des britischen Geheimdienstes versucht Moskau nun, seine auf der Insel stationierten Truppen mit Marschflugkörpern auszustatten und sie mit einer strategischen Luftabwehr zu verstärken. Ein längerfristiges Ziel könnte der Bau einer Landebahn für Kampfflugzeuge sein. Ob das ukrainische Militär in der Lage sein wird, die Insel zurückzuerobern, ist ungewiss. Es wird jedoch nicht erwartet, dass die Kämpfe aufhören.