29.03.2024

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Folge 25-22 vom 24. Juni 2022 / Bundeswehr / Das „Sondervermögen“, das den Dauerpatienten heilen soll / Der Plan des Verteidigungsministeriums, nun verstärkt in Bundeswehrstandorte zu investieren, kommt zum Teil einer politischen Kehrtwende gleich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-22 vom 24. Juni 2022

Bundeswehr
Das „Sondervermögen“, das den Dauerpatienten heilen soll
Der Plan des Verteidigungsministeriums, nun verstärkt in Bundeswehrstandorte zu investieren, kommt zum Teil einer politischen Kehrtwende gleich
Hermann Müller

Noch bevor Bundestag und Bundesrat dem sogenannten Sondervermögen für die Bundeswehr zustimmten, waren schon erste Einschätzungen zu hören, das 100-Milliarden-Paket werde nicht lange reichen. Christian Mölling von der Berliner Denkfabrik Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) prognostizierte etwa, die Finanzspritze würde nur etwa dreieinhalb Jahre ausreichen, um das Ziel von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Militärausgaben zu finanzieren. Über den Zeitraum eines Jahrzehnts sah Mölling einen zusätzlichen Bedarf von 250 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Skeptische Töne waren auch von Friedrich Merz zu hören. Der CDU-Chef hatte die Forderung gestellt, die 100 Milliarden Euro Extrageld ausschließlich in die Aufrüstung der Bundeswehr zu stecken.

Die Planung des Verteidigungsministeriums sehen stattdessen vor, außer für Projekte wie der Anschaffung neuer Korvetten oder eines weltraumbasierten Frühwarnsystems auch Geld für die Modernisierung von Kasernen, Fliegerhorsten und Truppenübungsplätzen in die Hand zu nehmen. Allein nach Brandenburg werden in den nächsten Jahren aus dem „Sondervermögen“ 660 Millionen Euro fließen, um etwa den Standort eines Logistikbataillons in Beelitz, das Einsatzführungskommando bei Potsdam oder den Truppenübungsplatz Lehnin zu modernisieren. Nach der Entscheidung des Bundes, das Marinearsenal in Rostock zu erweitern, keimen in Mecklenburg-Vorpommern nun auch Hoffnungen auf, dass der Bund mit Geld aus dem „Sondervermögen“ die insolventen MV-Werften am Standort Rostock-Warnemünde übernimmt. Bundesweit hoffen Bundeswehrstandorte und Kommunen, bei den Investitionen aus dem „Sondervermögen“ berücksichtigt zu werden.

Inzwischen sind Stimmen zu hören, die vor allzu hohen Erwartungen warnen. Mit Blick auf die Annahme, dass nun Bundeswehrstandorte in Niedersachsen schnell modernisiert werden können, mahnt etwa CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte bereits zu Geduld. „Die 100 Milliarden sind schnell weg“, so der Politiker aus dem Landkreis Celle gegenüber der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Otte verwies dabei auf eine lange Mängelliste der Bundeswehr. Vordringlich sei es, das Heer zu stärken, so der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag. 

356 Millionen für Wittmundhafen

Auch der parteilose Bürgermeister des ostfriesischen Ortes Wittmund, dem Standort des Luftwaffengeschwaders 71 „Richthofen“, wies auf den hohen Nachholbedarf der Bundeswehr hin. „Das Grundproblem, was dieses Sondervermögen der 100 Milliarden Euro ausmacht, ist, dass gewisse Ausstattungserfordernisse lange Jahre vernachlässigt worden sind und aufgeholt werden sollen“, so Rolf Claußen. Allein an diesem Standort investiert die Bundeswehr zur Modernisierung des Flugplatzes Wittmundhafen 396 Millionen Euro.

Der Plan des Verteidigungsministeriums, nun verstärkt in Bundeswehrstandorte zu investieren, kommt zum Teil einer politischen Kehrtwende gleich. Ab 1990 ging es nämlich meist um die Schließung von Bundeswehreinrichtungen. Allein unter Rudolf Scharping (SPD), dem Verteidigungsminister der ersten rot-grünen Koalition im Bund, wurden 39 größere Standorte der Bundeswehr ganz geschlossen, weitere 40 verkleinert. In der Amtszeit von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wurden dann nochmals 31 Bundeswehrstandorte dichtgemacht. Weitere 33 wurden nach der Aussetzung der Wehrpflicht drastisch verkleinert. Bei dieser Entwicklung spielte nicht nur die Verkleinerung der deutschen Streitkräfte nach Wiedervereinigung und Aussetzung der Wehrpflicht eine Rolle. 

In den letzten Jahrzehnten war auch der Gedanke der Landesverteidigung zunehmend vom Willen der Politik zu Einsätzen außerhalb des NATO-Gebiets verdrängt worden. Nun zeichnet sich eine Rückbesinnung auf den Kernauftrag der Landesverteidigung ab. 

Als Konsequenz aus dem Ukrainekrieg und auch der Flutkatastrophe im Ahrtal will die Bundeswehr zum 1. Oktober die Aufgaben der Territorialverteidigung in einem Führungskommando bündeln, das seinen Standort in Berlin haben wird. Bislang war die operative Führung dieser Kräfte im Inland über mehrere Bereiche verteilt gewesen.