28.03.2024

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Folge 25-22 vom 24. Juni 2022 / Allgemeine Dienstpflicht / Eine illusorische präsidiale Idee? / Bei ver.di, der Freien Wohlfahrtspflege, der FDP und den Grünen stößt Steinmeiers Vorschlag auf Kritik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-22 vom 24. Juni 2022

Allgemeine Dienstpflicht
Eine illusorische präsidiale Idee?
Bei ver.di, der Freien Wohlfahrtspflege, der FDP und den Grünen stößt Steinmeiers Vorschlag auf Kritik
Peter Entinger

Die Anregung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts eine allgemeine Dienstpflicht einzuführen, hat ein geteiltes Echo hervorgerufen. Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, äußerte sich ablehnend: „Ein verpflichtendes Dienstjahr ist in erster Linie ein enorm teures Unterfangen und löst in Wirklichkeit keine Probleme.“ Rund 15 Milliarden Euro pro Jahr würde es kosten, Steinmeiers Vorschlag einer sozialen Pflichtzeit in die Tat umzusetzen. 

Die Debatte hatte vor einigen Monaten Fahrt aufgenommen, als mehrere Politiker über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht einschließlich Ersatzdienst nachdachten, um die Armee angesichts der Ukrainekrise zu stärken. Doch noch bevor die Überlegungen konkret werden konnten, häuften sich die Bedenken.

Frank Werneke, Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), merkte an, dass den Dienstpflicht-Leistenden der Mindestlohn bezahlt werden müsste. Er warnte vor der Hoffnung, der Staat könne durch eine Dienstpflicht Engpässe in der Pflege abmildern. „Zum einen wird in unzulässiger Weise in die Lebensplanung junger Menschen eingegriffen. Zum anderen müssen alle anstehenden staatlichen Aufgaben grundsätzlich im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge erledigt werden, die entsprechend ausreichend finanziert werden muss. Diese Aufgaben können nicht von Freiwilligendiensten übernommen werden“, so der Gewerkschaftsfunktionär. 

Zustimmung aus der CDU

Ulrich Schneider, Präsident des Paritätischen Gesamtverbands, hält Steinmeiers Idee für illusorisch. In der Pflege müssten Profis ran, „und keine Menschen, die etwas anderes arbeiten wollen und können.“ Es müsse darum gehen, bestimmte Berufsfelder attraktiver zu machen. 

Während sich die Sozialdemokraten mit Kritik am Vorschlag ihres Parteifreundes Steinmeier zurückhalten, sind die anderen Parteien in der Ampelkoalition offen gegen eine Dienstpflicht. Justizminister Marco Buschmann (FDP) nannte die Idee, „einen schweren Eingriff in die Freiheitsrechte junger Menschen“. 

Ähnlich äußerte sich Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Eine derartige Dienstpflicht sei zudem kontraproduktiv, da jungen Menschen ein Ausbildungs- oder Studienjahr verlorengehen würde. Ein durchaus schlüssiges Argument angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland und der Tatsache, dass die deutschen Berufseinsteiger im EU-Binnenmarkt dem Wettbewerber mit jungen Menschen aus EU-Mitgliedsstaaten ohne Dienstpflicht ausgesetzt sind. 

Aus der CDU gab es dagegen positive Signale. „Unsere Welt wird immer digitaler, immer pluralistischer. Privatschulen boomen, die Milieus treffen sich nicht mehr“, sagte der stellvertretende Vorsitzende Carsten Linnemann: „Da wäre ein Gemeinschaftsjahr ein Segen für den Zusammenhalt.“ Linnemann und andere Unionspolitiker verwiesen auf die Tatsache, dass viele junge Menschen nach dem Abitur erst einmal auf Weltreise gehen würden. Statt sich Australien anzuschauen, könne man auch etwas für das Gemeinwohl tun, lautete ein Argument. 

Zweifel, dass es am Ende so weit kommt, scheint aber selbst der Bundespräsident zu haben. „Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird. Aber ich wünsche mir, dass wir die Debatte führen“, sagte Steinmeier.