26.04.2024

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Folge 25-22 vom 24. Juni 2022 / Frankreich / Deutschlands Nachbar taumelt am Rande der Unregierbarkeit / Macrons Wahlbündnis verfehlt die absolute Mehrheit. Jean-Luc Mélenchon gibt sich als Sieger. Marine Le Pens RN konnte seine Mandate verzehnfachen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-22 vom 24. Juni 2022

Frankreich
Deutschlands Nachbar taumelt am Rande der Unregierbarkeit
Macrons Wahlbündnis verfehlt die absolute Mehrheit. Jean-Luc Mélenchon gibt sich als Sieger. Marine Le Pens RN konnte seine Mandate verzehnfachen
Bodo Bost

Nach einem Wahlmarathon von vier Wahlgängen in zehn Wochen gingen nur noch 46 Prozent der Franzosen zur Wahl und bescherten dem gerade erst wiedergewählten Präsidenten Emmanuel Macron eine herbe Niederlage, denn dessen Parteienbündnis „Ensemble“ (Zusammen) verlor die absolute Mehrheit, welche die in ihm zusammengeschlossenen Parteien bei den vorausgegangenen Parlamentswahlen 2017 aufgrund des Mehrheitswahlrechtes gewonnen hatten. 

Da 2017 die Linke mit vier Listen getrennt angetreten war und kaum Vertreter in den zweiten Wahlgang hatte schicken können, waren damals linke Stimmen schließlich bei Macron gelandet. Diesmal hatte die Linke unter dem Linksaußen Jean-Luc Mélenchon jedoch eine Einheitsliste von Sozialisten, Kommunisten, Grünen und Trotzkisten aufgestellt, die es in vielen Wahlkreisen in den zweiten Wahlgang schaffte. 

Davon, dass sich die Linke, die unter der Bezeichnung „Neue ökologische und soziale Volksunion“ (NUPES) auftrat, und die Macronisten von Ensemble sich diesmal bis zum zweiten Wahlgang bekämpften und gegenseitig blockierten, konnte der „Rassemblement national“ (RN, Nationale Versammlung) von Marine Le Pen profitieren. Statt wie bisher nur mit acht wird der RN nun mit 89 Abgeordneten in der neuen Nationalversammlung vertreten sein. Das ist ein wahrer Durchmarsch von Le Pen, deren Partei es im bisherigen Parlament mit ihren acht Abgeordneten nicht einmal auf Fraktionsstärke brachte. 

Drei Minister sind rausgeflogen

Ob das Wahlbündnis von Mélenchon, das 131 Sitze errungen hat, bestehen bleibt, ist angesichts des für ihn schlechten Ergebnisses nicht gewiss. Seine eigene Partei „Unbeugsames Frankreich“ (LFI) hat weniger Abgeordnete als Le Pen.

Nomineller Wahlsieger ist zwar Macrons Parteienbündnis. Aber mit 245 der insgesamt 577 Sitze verfehlt es die entscheidende absolute Mehrheit. 

 „Die Lage ist total unerwartet und absolut beispiellos: Die Niederlage der Präsidentenpartei ist total, und es bietet sich keine wirkliche Mehrheit“, brüllte Mélenchon am Wahlabend vor jubelnden Anhängern. „Wir verzichten keinen Augenblick auf die Ambition, dieses Land zu regieren und es zu einem anderen Horizont zu führen“, fügte er an.

Premierministerin Elisabeth Borne hat ihren Wahlkreis nur ganz knapp gewonnen. Drei Minister haben ihre Wahlkreise verloren und müssen deshalb zurücktreten. Auch der bisherige Parlamentspräsident und der Fraktionschef der Macron-Partei verlieren ihre Mandate. 

Auf Macron kommen schwierige Koalitionsverhandlungen zu. Frankreich wird mitten im Ukrainekrieg monatelang politisch blockiert sein, und das nur wegen eines Mehrheitswahlrechts, das ungerecht ist und keine kontinuierliche Parlamentsarbeit zulässt sowie einem Wahlmodus von vier Wahlgängen in zwei Monaten, der die Bürger die Sinnhaftigkeit von Politik infrage stellen lässt. 

Vergleich mit Weimarer Republik

Auf Frankreich kommen schwierige Zeiten zu. Die Wirtschaftslage wird sich infolge des Ukrainekrieges verschlechtern. Im Parlament sind die extremen Linken und extremen Rechten erstarkt. Beide sind EU-kritisch und Russland-freundlich. Wenn keine der beiden an der Regierung beteiligt wird, was zu erwarten ist, wird die Straße versuchen, wieder mehr Macht zu gewinnen, wie schon so oft in den letzten Jahrzehnten, als die Wahlergebnisse nicht den Willen des Volkes wiedergaben. Von einer Unregierbarkeit sprechen bereits die Kommentatoren. Der neue Vordermann der Gaullisten, Jean-François Copé, hat die Lage in Frankreich mit der Weimarer Republik verglichen.

Zum Mehrheitsbeschaffer für Macron werden sehr wahrscheinlich die Republikaner (Gaullisten). Sie haben zwar Sitze gegenüber 2017 verloren, aber ihren Stimmenanteil gegenüber der Präsidentschaftswahl mit ihrer Kandidatin Valérie Pécresse, die im ersten Wahlgang vor wenigen Wochen nur 4,8 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt, deutlich erhöhen können. Die 61 Stimmen der Republikaner würden Macron mit seinen 245 Stimmen zur absoluten Mehrheit genügen. 

Eine Personalie, Damien Abad, steht jedoch diesem Bündnis im Wege. Der ehemalige Fraktionschef der Gaullisten wurde am 20. Mai von Macron zum Minister für Solidarität, Autonomie und Menschen mit Behinderungen ernannt. Danach wurde Abad, der an Arthrogrypose, einer seltenen Krankheit mit angeborener Gelenksteife, leidet, von zwei Frauen der Vergewaltigung bezichtigt. Laut Gutachten ist er dazu physisch gar nicht in der Lage.