19.04.2024

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Folge 25-22 vom 24. Juni 2022 / Alfred Helm / Pionier des Nacht- und Instrumentenflugs / Beim ersten Nachtflug in der Passagierluftfahrt von Berlin-Tempelhof nach Königsberg-Devau war er der Flugkapitän

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-22 vom 24. Juni 2022

Alfred Helm
Pionier des Nacht- und Instrumentenflugs
Beim ersten Nachtflug in der Passagierluftfahrt von Berlin-Tempelhof nach Königsberg-Devau war er der Flugkapitän
Lienhard Hinz

Geboren wurde Alfred Helm am 16. Januar 1894 im sächsischen Mittweida. Sein Bruder Max erlernte das Fleischerhandwerk des Vaters und übernahm 1909 den Familienbetrieb, der heute in fünfter Generation von Sebastian Härtel mit mehreren Geschäften in Sachsen geführt wird. Alfred Helm war technisch interessiert und ging zur Ingenieurschule – das Technikum Mittweida. Dort gab es unter dem Direktor Alfred Udo Holzt die ersten Lehrveranstaltungen zur Flugtechnik.

Im Ersten Weltkrieg erhielt er eine Ausbildung zum Flugzeugführer in der Fliegerersatz-Abteilung 9 in Darmstadt. Am 19. Oktober 1916 verkündete das „Mittweidaer Tageblatt“ gleich zwei militärische Auszeichnungen – je eine von Preußen und von Sachsen: „Eine seltene Ehrung wurde dem Fliegerleutnant Alfred Helm aus Mittweida zuteil, indem ihm das Eiserne Kreuz 1. Klasse und das Albrechtskreuz 2. Klasse mit Schwertern verliehen wurde.“ Fliegerisches Können erforderten besonders die Nachtflüge, mit denen die Fliegertruppe im Jahr 1917 begann. Bis zum Kriegsende war Helm als Pilot im Einsatz, zuletzt im Jagdgeschwader Richthofen.

Pilot seit dem Ersten Weltkrieg

1919 bestand er die Abschlussprüfung als Maschinenbauingenieur und war dann von 1920 bis 1924 in der Industrie tätig. 1925 entschied er sich für die Pilotenlaufbahn und wurde Flugzeugführer in der Junkers Luftverkehr AG. Dort war Helms Nachtflugerfahrung zunächst für die Postbeförderung gefragt. Denn die Luftpostflugzeuge hatten im Wettbewerb mit Bahnen und Schiffen, die schon rund um die Uhr fuhren, nur eine Chance, wenn sie auch nachts flogen. Mit einer einmotorigen Junkers A 20 mit offenem Cockpit übernahm Helm den Abschnitt Berlin–Warnemünde der Nachpoststrecke Berlin–Stockholm. Während Junkers Luftverkehr diese Nachtverbindung 1925 erfolgreich einrichtete, gelang der Konkurrenzgesellschaft Deutscher Aero Lloyd die regelmäßige Luftpostbeförderung auf der Strecke Berlin–Stettin–Kopenhagen. 

Danach entschieden sich beide Gesellschaften für die Personenbeförderung mit mehrmotorigen Flugzeugen. Unter dem Einfluss der Reichsregierung schlossen sie sich am 6. Januar 1926 zur Deutschen Luft-Hansa AG zusammen. Schon vier Monate später eröffnete diese nach umfangreichen Vorbereitungen die erste Nachtfluglinie im Passagierluftverkehr.

Um 2 Uhr nachts startete am 1. Mai 1926 im Scheinwerferlicht des Flughafens Berlin-Tempelhof eine Junkers G 24 mit geschlossenem Cockpit in Richtung Ostsee. Den dreimotorigen Tiefdecker mit neun Passagieren und drei Mann Besatzung führte Flugkapitän Helm. Die Bodenorganisation der Strecke war so ausgeführt, dass nach Ermessen des Nachtflugleiters Hermann Köhl jegliche Gefahr ausgeschlossen war. Riesige Drehlichtscheinwerfer, Neonröhren und Gasbaken wiesen wie Leuchttürme den Weg durch die Dunkelheit. Für den Notfall blinkten alle 30 Kilometer Landeplätze. Durch die Straßenbeleuchtung Danzigs konnten die Fluggäste nach der Zwischenlandung den massigen Turm der Marienkirche erkennen. Der Flug führte an Elbing vorbei, am Frischen Haff entlang auf die Pregelmündung zu und endete nach 650 Kilometern und fünf Stunden auf dem Flughafen Königsberg-Devau. Reisende in Richtung Moskau stiegen in das bereitstehende Flugzeug der deutsch-russischen Fluggesellschaft Deruluft um. Die Reisezeit von Berlin nach Moskau betrug nun 15 Stunden gegenüber zweieinhalb Tage mit der Eisenbahn.

Über vier Millionen Flugkilometer

Mit der Übernahme weiterer Nachtflugstrecken lernte Helm die neuesten Navigationsinstrumente der Flugzeuge kennen und qualifizierte sich zum Nacht- und Instrumentenflugspezialisten. Er leitete in den Winterhalbjahren 1932 bis 1939 die Ausbildung der Lufthansa-Besatzungen im Instrumentenflug. Als alle Lufthansa-Flugkapitäne auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof auch im Segelflug ausgebildet wurden, war Helm einer der ersten, welche die Prüfung bestanden. Er bewies sein Können schon kurze Zeit später mit einem Segelflug über Berlin von neun Stunden Dauer und nahm erfolgreich an den Segelflug-Wettbewerben 1936 und 1937 auf der Wasserkuppe in der Rhön teil.

Aufsehen erregte die Besatzung unter Flugkapitän Helm mit einem Erkundungsflug nach Tokio über Bagdad, Kalkutta, Bankok, Hanoi und Hongkong vom 22. April bis 22. Mai 1939 mit der Junkers Ju 52/3m „Hans Loeb“. In Berlin wurde die Besatzung, der man die Strapazen des 31.000 Kilometer langen Fluges nicht ansah, herzlich begrüßt.

Pilot und Flugtechniker war Helm im Zweiten Weltkrieg und vor allem beim Wiederaufbau des Passagierluftverkehrs. Als er 1959 in den Ruhestand eintrat, würdigte ihn die Mitarbeiterzeitung „Der Lufthanseat“ als einen Mitarbeiter, „dessen kameradschaftliches Wesen, dessen Lebensfreude und Humor nur noch von seinen hohen Fachkenntnissen übertroffen wurden“. Am Steuer von Flugzeugen legte Helm insgesamt mehr als vier Millionen Kilometer zurück, davon zwei Millionen im zivilen Luftverkehr. Er verstarb am 14. Februar 1965 in Berlin. Sein Grab liegt auf dem Kirchhof in der Paplitzer Straße 10–24 in Berlin-Lichtenrade.