20.04.2024

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Folge 26-22 vom 01. Juli 2022 / Kolumne / Historischer Kulturbruch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-22 vom 01. Juli 2022

Kolumne
Historischer Kulturbruch
Florian Stumfall

Das Oberlandesgericht (OLG)Frankfurt hat für Recht befunden, dass einer „klagenden Person“ die Entschädigung von 1000 Euro zustehe, weil sie von der Deutschen Bahn mit „Herr“ angeredet worden war. Dem Gericht zufolge sei das ein „Angriff auf die eigene Person“ und führe zu „deutlichen psychischen Belastungen“, denn jene Person leide unter der „Zuschreibung von Männlichkeit“. Weitere „nicht binäre Anreden“ durch die Bahn zögen Strafzahlungen in einer Höhe von 250.000 Euro nach sich.

Folgt man dem politisch korrekten Zeitgeist, so muss es scheinen, als seien – neben vielen anderen – die Grenzen zwischen den Geschlechtern ins Fließen gekommen. Doch diese Absurdität wird konterkariert von einer gegenläufigen Bewegung auf demselben Terrain, die wiederum auf eine scharf-angriffslustige Unterscheidung zwischen den Geschlechtern abstellt, mit einer Klarheit, wie sie seit Beginn der Menschheit unstrittig gewesen ist. Es geht um das Verhältnis zwischen Mann und Frau, diesmal aber nicht, wie bei der „klagenden Person“, um das persönliche Wohl und Wehe, sondern um die gesellschaftliche Bedeutung des Phänomens zweier Geschlechter. Und die ist völlig anders als die persönliche.

Da dies von ursprünglicher Art scheint, ist ein Rückgriff in die frühe Zeit der Menschheit nicht vermeidbar. Es herrschte das Matriarchat mit der Frau als Mutter – es wurden Kinder geboren, welche die Sippe stärkten, was dann zum Entstehen von Stämmen und schließlich von Völkern führte. Die wenigen physischen Frauenbilder, die von damals auf uns gekommen sind, spiegeln Art und Aufgabe der Frau wider, nämlich Mutter sein zu können. Doch mit der neolithischen Revolution trat eine völlig neue Kraft ins Leben und Bewusstsein der Menschen: die Fruchtbarkeit nicht nur von Lebewesen, sondern auch des Bodens und ihrer systematischen Nutzung, von der das Schicksal der Menschen mehr und mehr abzuhängen begann.

Matriarchat und Patriarchat

Dem Matriarchat aber wohnt ein ewiger Zauber inne, der an das Her­kommen der Menschheit erinnert. Und wie es immer ist: Wo der Tod nie fern bleibt in einer gefahrvollen Natur, da spielt die Geburt eine ausschlaggebende Rolle fürs Überleben, und mit ihr das Weib. Dementsprechend waren die Gesellschaften beschaffen, matrilinear mit der Erbfolge von der Mutter auf die Tochter, oftmals gab es die Polyandrie, das Schamanentum oblag hauptsächlich Frauen. 

Der ägäische Raum ist für das Schicksal des Mutterrechts in Europa von entscheidender Bedeutung. Denn hier geschieht mit der indogermanischen Völkerwanderung ab 2000 vor Christus das Aufeinandertreffen der nomadischen Völker aus dem Raum zwischen dem nördlichen Kaspischen und dem Schwarzen Meer sowie der einheimischen Urbevölkerung, den Alteuropäern oder, wie die Griechen sie nannten, den Pelasgern.

Die Zuwanderer waren als ein zumindest teilweise als Nomaden lebendes Volk patriarchalisch organisiert. Dies traf nun auf den pelasgischen matriarchalischen Gegenentwurf. Um es vorwegzunehmen: Der alteuropäische Einfluss ist nicht einfach verschwunden, wie man vor allem in der Mythologie sieht. Wenn sich auch das hellenische Patriarchat durchgesetzt hat, so blieben doch einige pelasgische Gottheiten nicht nur erhalten, sondern sogar von erstem Rang. Haarmann nennt Athene, deren Beiname „Pallas“ alteuropäischen Ursprungs ist, ferner Hestia, Artemis, Hera und vor allem Aphrodite. Es fällt auf, dass es sich hierbei durchwegs um weibliche Gottheiten handelt. 

Dem tut auch nicht Abbruch, dass in diesem Zusammenhang die Ablösung der matriarchalischen Ordnung durch männliche mythologische Gestalten erfolgt; die männliche Ordnung weist dem weiblichen Element einen respektablen Platz zu, wie sich in der griechischen Mythologie vielfach widerspiegelt. So gibt etwa das Verhältnis des Göttervaters zu seiner Schwester und Gemahlin Hera ein Beispiel für das nur wenig eingeschränkte Fortwirken des Weiblichen, auch durch die verschiedene Positionierung der beiden im Trojanischen Krieg, bei dem Hera die asiatische, mütterliche Seite vertritt, Zeus hingegen die hellenische, männlich orientierte. 

„Ich hasse die Männer“

Diese Ordnung galt Jahrtausende und wurde in Europa erst ab dem Ende des 18. Jahrhundert mehr und mehr erschüttert. Das erste Aufbegehren dagegen geschah durch die Französische Revolution mit ihrer Parole von der Gleichheit. Anno 1865 gründete in Deutschland Jahre Luise Otto-Peters den „Allgemeinen deutschen Frauenverein“.

Heute aber geht es dem Feminismus nicht mehr um Gleichberechtigung, sondern um Dominanz, um die Gynarchie. Der Bestseller „Ich hasse die Männer“ der französischen Feministin Pauline Harmange, der die Wortschöpfung „Misan­drie“, Männerhass, ins Spiel bringt, stellt einen vorläufigen Höhepunkt dar. Doch diesmal geht es nicht um die bessere oder mindere Stellung eines Geschlechts, diesmal soll die Männerwelt möglichst ganz versiegen. Wir stehen in Europa wieder vor einer kulturellen Zeitenwende, doch es wäre ein Irrtum anzunehmen, der Weg gehe wieder in Richtung Matriarchat. Dort nämlich handelt es sich um weibliche Dominanz, die indes den Männern Recht und Rang zuweist. 

Die Gynarchie aber ist gegenüber dem Mann durch Abneigung bis hin zum Hass gekennzeichnet, ihm werden in dieser Vorlage sowohl Recht als auch Rang planmäßig vorenthalten. Der Grund für diesen Unterschied: Das Matriarchat ist eine kulturelle Hervorbringung, die Gynarchie eine ideologische. Um das Ziel zu erkennen, tut es not, die Ursachen zu finden. Über die Wirkkraft der Revolutionen von 1789 und 1918 hinaus sind es zwei Ereignisse, welche die neue Frauenherrschaft beflügeln. Es handelt sich um die Revolte von 1968 und die fast gleichzeitige Entwicklung der Antibabypille. Sie begründet den Anspruch auf Kinderlosigkeit als den Lebensentwurf weiblicher Sinngebung. Mit Matriarchat hat das nichts zu tun. Dieses hat der Frau ihre Bedeutung durch Mutterschaft gegeben, die Gynarchie leitet sie von Eigennutz ab. Dies ist ein Kulturbruch von historischem Ausmaß.

Der Autor ist ein christsoziales Urgestein und war lange Zeit Redakteur beim „Bayernkurier“.