18.04.2024

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Folge 27-22 vom 08. Juli 2022 / Antisemitismus / Wenn es um Palästina geht, kommt Gewalt ins Spiel / Bundesverband RIAS legt Jahresbericht 2021 vor – Vor allem zwei Entwicklungen haben laut dem Verband das Gesamtbild geprägt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-22 vom 08. Juli 2022

Antisemitismus
Wenn es um Palästina geht, kommt Gewalt ins Spiel
Bundesverband RIAS legt Jahresbericht 2021 vor – Vor allem zwei Entwicklungen haben laut dem Verband das Gesamtbild geprägt
Peter Entinger

Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) hat in seinem Jahresbericht für 2021 2738 erfasste antisemitische Vorfälle aufgelistet. Das sind im Schnitt mehr als sieben pro Tag. Darüber hinaus wird von einer großen Dunkelziffer ausgegangen. Etwa die Hälfte der Vorfälle, die bei den insgesamt acht Meldestellen eingegangen sind, sei „keiner klaren Ideologie“ zuzuordnen. 

RIAS-Vorstand Benjamin Steinitz und der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein ließen die Gelegenheit nicht aus, darauf hinzuweisen, dass es sich auch bei diesen Vorfällen um Rechtsextremismus handeln könnte. „Ganz klar den Rechten“ zuzuordnen seien 17 Prozent. 

Gegenüber dem Vorjahr mit 1957 Vorfällen bedeuten die aktuellen Zahlen einen Anstieg um 40 Prozent. Dieser ist laut RIAS aber zum Teil auf eine veränderte Datengrundlage zurückzuführen. So nahmen 2021 drei neue Meldestellen ihre Arbeit auf. „Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der Arbeit dieser Meldestellen mehr Vorfälle aus den jeweiligen Regionen bekannt wurden“, sagte Steinitz. 

Corona-Proteste

Das Gesamtbild der antisemitischen Vorfälle 2021 ist seiner Einschätzung nach vor allem von zwei Entwicklungen geprägt. Zum einen dauerten auch 2021 die Proteste gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie an. „Diese Corona-Proteste waren vor allem für Menschen aus einem verschwörungsideologischen Spektrum vielfach ein Anlass für antisemitische Äußerungen oder Handlungen“, sagte Steinitz. Hierbei zeigt sich allerdings, wie schwierig eine genaue Zuordnung ist. So gab es vereinzelte Meldungen, in denen das Tragen eines „Judensterns“ bei Anti-Corona-Demonstrationen angezeigt wurde. Dies sei nicht zwingend Beleg einer rechtextremen Einstellung, allerdings handele es sich dabei möglicherwiese um eine strafbare Relativierung des Holocaust. Hierzu zählt auch die auf Transparenten zu lesende Parole „Impfen macht frei“. In Mannheim wurde im August zudem eine Schmiererei an einer Straßenbahnhaltestelle gemeldet, die lautete: „Cov-19 Lüge von Juden. Widerstand oder Tod“. Die RIAS spricht hierbei von „Schoa-relativierenden Selbstviktimisierungen“. Dazu gehören insbesondere Gleichsetzungen von nicht gegen Corona geimpften Personen mit Opfern der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Fast ausnahmslos alle dieser antisemitischen Vorfälle spielten sich allerdings auf einer verbalen Ebene ab. 

Nahostkonflikt

Ganz anders sieht es aus, wenn es um den Konflikt zwischen Israel und Palästina geht. Die Raketenangriffe der Hamas und anderer islamischer Terrorgruppierungen sowie die militärische Reaktion Israels auf diese Angriffe im Mai 2021 seien vielfach Anlass für antisemitische Beleidigungen, Bedrohungen oder gar Gewalttaten gegen Juden gewesen. In Hamburg wurde im September 2021 ein jüdischer Teilnehmer einer Mahnwache für Israel und gegen Antisemitismus von einem Passanten als „Hurensohn“ beleidigt und geschlagen. In Berlin drängten im Oktober drei Jugendliche einen Mann, „Free Palestine“ zu rufen. Nachdem sich der Mann geweigert hatte, fügten sie ihm mit Tritten und Schlägen lebensbedrohliche Verletzungen zu. 

Auch jüdische Gemeinden waren von Fällen extremer Gewalt betroffen. In Berlin wurde im August bei Reinigungsarbeiten an einem jüdischen Gemeindehaus festgestellt, dass ein Fenster mit einer Gewehr- oder Pistolenkugel durchschossen worden war. In Mannheim und in Bonn wurden die Synagogen mit Steinen beworfen. 

Wie stark der Palästina-Konflikt die Statistik beeinflusst, zeigt sich auch daran, dass der Mai des vergangenen Jahres der meldeintensivste Monat war. Dazu zählen auch 14 Versammlungen, auf denen RIAS Berlin antisemitische Inhalte feststellte – von kleineren Kundgebungen bis hin zu großen Demonstrationszügen mit bis zu 3500 Teilnehmern. Insbesondere am Wochenende 14./15. Mai sei es zu antisemitischer Gewalt, aber auch zu Mordaufrufen gegen Israelis und Juden gekommen. Vielfach wurde Israel mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt. 

Immerhin – auch das sagte Steinitz – seien insgesamt die meisten Meldungen „niedrigschwellig“ gewesen, es blieb also bei anonymen Beleidigungen. Die beiden Kontexte Corona und Palästina würden aber belegen, dass insbesondere Juden in Deutschland im Zuge antisemitischer Vorfälle immer wieder für Entwicklungen verantwortlich gemacht werden, mit denen sie nichts zu tun hätten.