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Folge 27-22 vom 08. Juli 2022 / Innere Sicherheit / Dienstsiegel massenhaft gestohlen / Kriminelle brechen seit Jahren in Ämter und sogar Polizeiwachen ein – Siegel sind heiß begehrt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-22 vom 08. Juli 2022

Innere Sicherheit
Dienstsiegel massenhaft gestohlen
Kriminelle brechen seit Jahren in Ämter und sogar Polizeiwachen ein – Siegel sind heiß begehrt
Norman Hanert

Berlin gilt als eine Einbrecher-Hochburg. Im Schnitt registriert die Polizei in der Hauptstadt jedes Jahr rund 12.000 Einbrüche. Die Kriminellen machen nicht einmal vor Behörden und sogar Polizeidienstellen halt. Solche Einbrüche, aber auch schlechte Verwaltungsorganisation und Schusseligkeit von Beamten haben dazu geführt, dass mittlerweile eine erstaunlich große Zahl von amtlichen Stempeln sowie sogar Kinderreisepässe und vorläufige Personalausweise „in Verlust geraten“ sind, wie es im Amtsdeutsch heißt. 

Wie aus einer Antwort der Berliner Landesregierung auf eine schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harald Laatsch (AfD) hervorgeht, sind von den Verlusten seit 2016 mehrere Senatsverwaltungen, aber auch die Bezirke mit ihren Bürgerämtern, Sozialämtern und Standesämtern betroffen. Selbst ein Dienstsiegel mit der Aufschrift „Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt“ führt der Senat in seiner Antwort auf. Auffallend oft sind in den vergangenen Jahren Dienststempel durch Einbrüche in Berliner Schulen verschwunden.

„Missbrauch Tür und Tor geöffnet“

Ein Einbruch in ein Dienstgebäude hat auch dazu geführt, dass die Aufzählung verschwundener Dienstsiegel durch den Senat im Fall des Berliner Bezirksamts Mitte besonders umfangreich ausfiel. Bei dem schon länger bekannten Verbrechen zwischen dem 6. und dem 7. August 2016 ließen die Kriminellen knapp 50 Dienstsiegel des Bürgeramts Wedding in der Osloer Straße mitgehen. 

Im Zuge des Einbruchs verschwanden zudem  diverse Dokumente des Bürgeramtes wie Kinderreisepässe, vorläufige Personalausweise und Anwohnervignetten. Laut der Senatsantwort konnte in diesem Einbruchsfall eine tatverdächtige Person ermittelt werden. Der Ermittlungsvorgang wurde am 16. März 2021 an die Staatsanwaltschaft abgegeben.

Länger fiel auch die Aufstellung des Senats zum Bezirk Pankow aus. Dort waren in vier Fällen Dienstsiegel „nach Langzeiterkrankung oder Tod der Dienstkraft nicht auffindbar“. Bei einem weiteren Fall in Pankow gibt es einen unbestätigten Diebstahlsverdacht. Im Bezirk Steglitz-Zehlendorf haben ein oder mehrere Täter bei einem nächtlichen Einbruch gleich einen ganzen Tresor mitgenommen. „Täter und Siegel konnten nicht gefunden werden“, so die Senatsverwaltung für Inneres. Auch zum Diebstahl eines Dienstsiegels im Bezirksamt Reinickendorf heißt es in der Senatsaufstellung: „Es erfolgte eine Anzeige, die Ermittlungen wurden eingestellt.“

Laatsch warnt vor den möglichen Folgen, wenn in Berliner Behörden immer wieder Dienststempel „in Verlust geraten“: „Es ist erschreckend, dass mit diesen wichtigen offiziellen Legitimationszeichen offenbar sehr nachlässig umgegangen wird. Dem Missbrauch durch Unbefugte ist dadurch Tür und Tor geöffnet.“ Tatsächlich sind die Dienstsiegel in der Unterwelt äußerst heiß begehrt. Kriminelle erhalten mit den Behördenstempeln nämlich die Möglichkeit, gefälschte Ausweise und Dokumente täuschend echt aussehen zu lassen.

Neben Bürgerämtern und Schulen gehen Diebe in der deutschen Hauptstadt auch verblüffend oft sogar in Polizeidienststellen auf Beutezug. Wie eine Anfrage des Abgeordneten Frank Balzer (CDU) zutage förderte, wurden in den Jahren seit 2019 eine ganze Reihe von Diebstählen in Polizeigebäuden oder auf den Grundstücken der Polizei angezeigt. Betroffen waren neben kleineren Polizeiwachen auch das große Polizeigelände mit der Ausbildungsakademie in Spandau und selbst das Landeskriminalamt (LKA) am Tempelhofer Damm. Mitgehen ließen die Diebe alles nur Mögliche, von Süßigkeiten über Ausweise und Uniformen bis hin zu Fahrrädern. 

Einbruch in Zolllager aufgeklärt

Die Berliner Polizei konnte nicht einmal verhindern, dass ihr ein Auto entwendet wurde. Von einem besonders dreisten Einbruch war Anfang 2020 das Berliner Hauptzollamt betroffen. Zwischen dem 23. und dem 26. Januar 2020 waren die Täter zunächst auf das Dach der Lagerhalle des Zolls in der Gehrenseestraße in Berlin-Hohenschönhausen geklettert. Anschließend seilte sich einer der Ganoven durch eine Dachluke aus 15 Metern Höhe ab und öffnete von innen die Rolltore der Halle. Damit war für die Bande  der Weg frei, um mit einem gemieteten Lkw in die Lagerhalle zu fahren. 

Die Beute in der Asservatenstelle des Zolls war reichlich. Neben 5,2 Millionen Zigaretten nahmen die Diebe 8,6 Tonnen unverzollten Shisha-Tabak mit, den der Zoll beschlagnahmt hatte. Anders als bei den gestohlenen Dienstsiegeln waren die Ermittler in diesem Fall bei der Suche nach den  Tätern erfolgreich. Eine Sonderkommission des Zollfahndungsamtes Berlin-Brandenburg und das Berliner Landeskriminalamt hatten einen verdeckten Ermittler eingesetzt, der sich in der Unterwelt als Kaufinteressent für den Shisha-Tabak ausgab. Inzwischen hat das Berliner Landgericht wegen des Einbruchs im Hauptzollamt sieben Mitglieder einer rumänisch-moldauischen Bande zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.