28.03.2024

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Folge 27-22 vom 08. Juli 2022 / Energieversorgung / Die Tücken von Habecks Abkopplungsplänen / Weniger Gas aus Russland, wichtige LNG-Anlage in den USA abgebrannt, Ersatz nur schwer zu beschaffen – Deutsche werden auf Engpässe vorbereitet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-22 vom 08. Juli 2022

Energieversorgung
Die Tücken von Habecks Abkopplungsplänen
Weniger Gas aus Russland, wichtige LNG-Anlage in den USA abgebrannt, Ersatz nur schwer zu beschaffen – Deutsche werden auf Engpässe vorbereitet
Norman Hanert

Kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, noch Ende Februar, verbreitete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Zuversicht, Deutschland könne komplett auf russisches Gas verzichten.

Die Möglichkeit, dass Deutschland genug Gas und genug Rohstoffe ohne Lieferungen aus Russland bekomme, sei gegeben. Inzwischen verdichten sich die Zeichen, dass Habecks Plan zur Abkoppelung Deutschlands von russischen Energielieferungen möglicherweise schon im Herbst in einer Versorgungskrise endet. „Die vielen Risiken drohen sich zu materialisieren, die Chancen schwinden“, so die Einschätzung der „Wirtschaftswoche“ zu den Plänen Habecks. Bereits seit Mitte Juni kommen in Greifswald, dem bundesdeutschen Endpunkt von Nord Stream 1 nur noch 40 Prozent der sonst üblichen Gasmenge an. 

„Länger andauernde politische Wartung“

Laut russischen Angaben fehlen aufgrund der Sanktionen notwendige Ersatzteile für eine Reparatur. Ab dem 11. Juli stehen bei der Ostseepipeline zudem auch noch die jährlichen Wartungsarbeiten an. Allerdings warnen nun immer mehr Beobachter, dass nicht nur bis zum 25. Juli, dem angekündigten Ende der Arbeiten, der Gashahn zubleibt, sondern dauerhaft. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sagte beispielsweise, die Frage sei, ob aus der bevorstehenden regulären Wartung der Gaspipeline „eine länger andauernde politische Wartung wird“. Tatsächlich stellt sich die Frage, warum der Kreml mit der Einstellung seiner Lieferungen warten soll, bis Habecks Vorbereitungen zur Abkoppelung von Russland abgeschlossen sind.

Obwohl der Bundeswirtschaftsminister immer neue Verordnungen und Notfallpläne präsentiert, hat sich die Versorgungslage Deutschlands bislang nicht verbessert, seit der Grünen-Politiker im Februar erklärte, Deutschland komme auch ohne Russland zurecht. Habecks Plan fußt bislang auf der Annahme, dass Russland weiterhin vertragstreu liefert, damit die Gasspeicher für den kommenden Winter gefüllt werden können. Anfang Juli waren die Großspeicher in Deutschland laut Angaben des Verbands Gas Infrastructure Europe zu knapp 60 Prozent gefüllt. Der Bundestag hat in seinem Gasspeichergesetz als Ziel vorgegeben, die Speicher bis zum 1. Oktober mindestens bis zu 80 Prozent zu füllen.

Anfang November soll ein Speicherstand von 90 Prozent erreicht sein. Selbst damit ist die Versorgung für den kommenden Winter aber keineswegs gesichert. Nach Schätzung des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, decken Deutschlands Gasspeicher bei einem durchschnittlichen Winter nämlich nur den Verbrauch von zweieinhalb Monaten ab. Nötig sind deshalb zusätzliche Kapazitäten, falls im Winter die Lieferungen von russischem Pipelinegas fehlen. Kommt kein Gas nach, werden die deutschen Speicher zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt leer sein, nämlich im Februar 2023. Besonders groß ist die Deckungslücke auch im Oktober, wenn üblicherweise der Gasbedarf ansteigt. Bei einem Lieferstopp würde Deutschland dann bereits mit unvollständig gefüllten Speichern in die Heizsaison starten.

Kalkül Habecks war es, die russischen Lieferungen durch Flüssiggas aus anderen Weltregionen zu ersetzen. Dazu hatte die Bundesregierung schon sehr frühzeitig vier schwimmende LNG-Terminals gemietet, die den Import von Flüssiggas ermöglichen sollten. Inzwischen zeichnet sich ab, dass lediglich eines dieser Spezialschiffe, die für Wilhelmshaven vorgesehene „Hoegh Esperanza“, bis zum Jahreswechsel an das Ferngasnetz angeschlossen werden kann. Unklar ist zudem, wie es gelingen soll, die gesamte russische Liefermenge kurzfristig zu ersetzen.

Bislang nur vage Zusagen

Aus Katar brachte der Bundeswirtschaftsminister Ende März zudem lediglich eine vage Zusage für langfristige Lieferbeziehungen mit. Ein erster Langfrist-Liefervertrag für US-Flüssiggas, den der Versorger EnBW kürzlich abgeschlossen hat, sieht einen Lieferbeginn ab 2026 vor.

Die Alternative, der kurzfristige Kauf von verflüssigtem Erdgas (LNG), das nicht durch Langfristverträge gebunden ist, hängt entscheidend vom Preis ab: „Wenn die Preise hier höher sind als in Asien, fahren die Schiffe hierher, sonst nicht“, so der Volkswirt Johannes Mayer von Österreichs Regulierungsbehörde E-Control.

Inzwischen hat auch noch ein Brand in einer der größten LNG-Produktionsstätten an der texanischen Golfküste bei Quintana den Versuchen, sich von russischen Lieferungen abzukoppeln, einen schweren Dämpfer verpasst. Die Anlage steht für ein Fünftel aller LNG-Exporte der USA. Mitte Juni teilte der Betreiber Freemont LNG mit, dass bis mindestens September keine Tankschiffe mit gekühltem Flüssiggas mehr über den Atlantik fahren können. Energieexperten beziffern den Verlust für Europa auf bis zu fünf Millionen Tonnen LNG.