26.04.2024

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Folge 27-22 vom 08. Juli 2022 / Leitartikel / Selbstgewählter Niedergang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-22 vom 08. Juli 2022

Leitartikel
Selbstgewählter Niedergang
René Nehring

Es sind wahrlich schicksalhafte Tage. Vier Monate nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine ruft Wirtschaftsminister Robert Habeck den „Gasnotstand“ aus und stellt die Deutschen auf harte Einschnitte in der Energieversorgung ein. Bundeskanzler Olaf Scholz nennt unterdessen die mit der Knappheit verbundenen steigenden Kosten für Öl und Gas „sozialen Sprengstoff“ und weist nebenbei die Bundesbürger darauf hin, dass die Inflation zum Dauerproblem werde. Pa-rallel dazu droht im Zuge des Streits um den russischen Transitzugang zum Königsberger Gebiet durch Litauen hindurch eine Ausweitung des militärischen Konflikts auch auf NATO-Territorium (siehe auch Seite 2). 

Eine derart ernste Lage verlangt nach nüchterner Analyse und einer unideologischen Suche nach Auswegen. Dazu gehört das Eingeständnis, dass offensichtlich die bei Ausbruch des Krieges beschlossenen Sanktionen gegen Russland – zumindest bislang – Moskau weitaus weniger geschadet haben als den westlichen Staaten. 

Dazu gehört aber auch das Eingeständnis, dass die skizzierten sowie weitere Probleme hausgemacht sind. Es war die bewusste Entscheidung Deutschlands und seiner Bündnispartner, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine mit den Russen zu brechen und in Form eines umfangreichen Sanktionspaketes mit ihnen in einen Wirtschaftskrieg einzutreten – ohne die Folgen für die eigenen Bürger und Unternehmen zu bedenken. Dazu gehörte ja nicht nur die Gefährdung russischer Rohstofflieferungen, sondern auch der Verzicht, russische Märkte mit westlichen Waren zu beliefern, wodurch westliche Unternehmen massive Umsatzeinbußen erleiden. Es war auch eine Entscheidung des Westens (US-Präsident Joe Biden verkündete die Nachricht in Washington anstelle des neben ihm stehenden Bundeskanzlers), die faktisch fertige Erdgasleitung NordStream 2 auf Eis zu legen. 

Ideologische Engstirnigkeit

Dabei hätte es auch andere Wege gegeben, der Ukraine beizustehen, zum Beispiel die Aufrechterhaltung der guten Wirtschaftsbeziehungen zu Russland (wodurch Moskau ein Partner geblieben wäre und noch immer Gesprächskanäle bestanden hätten) – und die gleichzeitige Lieferung von schweren Waffen an Kiew. Durch die Entscheidung für die Sanktionen aber und den gleichzeitigen Verzicht auf die erbetenen Waffenlieferungen wurde weder den Ukrainern nachhaltig geholfen noch den Russen ernsthaft geschadet. 

Auch dass wir überhaupt in eine derart große Abhängigkeit von Russland in Sachen Energielieferungen geraten sind, ist eine Folge eigener Politik, insbesondere der deutschen. Niemand hat zum Beispiel die Bundesregierungen der vergangenen 25 Jahre gezwungen, nahezu gleichzeitig aus Kernenergie, Kohle und Erdöl auszusteigen und stattdessen ausschließlich auf die Erneuerbaren Energien zu setzen – und für eine Übergangszeit Gas als grundlastfähigen Energieträger auszubauen. 

In all dem und weiteren Punkten folgten die westlichen Nationen – beileibe nicht nur Deutschland – einem immer wiederkehrenden Muster. Im trügerischen Gefühl einer längst verloren gegangenen technischen und zivilisatorischen Überlegenheit verfolgen sie ideologische Lieblingsprojekte wie den Kampf gegen den Klimawandel, für die Energiewende, Gender-Mainstreaming oder Wokeness – und übersehen dabei, dass einst rückständige Nationen, denen all das egal ist, zunehmend an ihnen vorbeiziehen. 

Grün sein muss man sich leisten können, lautete einst eine Kritik an den Grünen. Ein Spruch, der sich heute auch auf die anderen ideologischen Projekte übertragen ließe. Die Frage ist, wie lange es braucht, bis sich hierzulande die Einsicht durchsetzt, dass wir uns diese Projekte nicht mehr leisten können.