19.04.2024

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Folge 27-22 vom 08. Juli 2022 / Allenstein / Erstmals seit über 70 Jahren keine Priesterweihe / Krise in der katholischen Kirche im südlichen Ostpreußen – Der aktuelle Nachwuchsjahrgang erreichte nicht einmal das Diakonat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-22 vom 08. Juli 2022

Allenstein
Erstmals seit über 70 Jahren keine Priesterweihe
Krise in der katholischen Kirche im südlichen Ostpreußen – Der aktuelle Nachwuchsjahrgang erreichte nicht einmal das Diakonat
Dawid Kazański

In diesem Jahr werden im Priesterseminar in Allenstein keine Priester geweiht. Dass sich keine Kandidaten melden, um das Weihesakrament zu erhalten, verzeichnete man das letzte Mal kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in den Jahren 1949 und 1950. 

Die Krisensituation für die katholische Kirche im südlichen Ostpreußen wurde im Mai vom Rektor des Theologischen Seminars Hosianum, dem Priester Hubert Tryk, in einem Brief angekündigt, der in den Kirchen der Erzdiözese Ermland verlesen wurde: „Leider wird in diesem Jahr der wichtigste Moment im Leben des ganzen Seminars, nämlich die Priesterweihe, nicht stattfinden. In der Regel wurde das Sakrament den Diakonen, das heißt den Absolventen des sechsten Jahres, am letzten Sonnabend des Monats Mai überreicht. Leider hat der aktuelle Jahrgang nicht einmal das Diakonat erreicht. Von mehreren Kandidaten, die sich vor sechs Jahren beworben haben, ist kein einziger übrig geblieben“, schrieb Tryk. „Es scheint, dass der Rückgang der Priesterberufungen in den letzten Jahren nicht ein Zeichen für Gottes Geiz ist, sondern ein Zeichen für eine Krise der berufenen Menschen, die aus verschiedenen Gründen dem Ruf Gottes nicht folgen. Vielleicht sind sie nicht einmal in der Lage, diesen Ruf zu hören, und oft fehlt ihnen der Mut, sich zu einem solch radikalen Schritt zu entschließen, der darin besteht, ihr Leben zu opfern, indem sie zum Beispiel ihre Familie aufgeben“, heißt es in dem Schreiben. 

Der Rektor des Priesterseminars versucht zugleich, die Krise zu lösen, indem er in seinem Brief junge Männer zu einem seelsorgerischen Gespräch ermutigt, das dazu beitragen solle, Zweifel zu zerstreuen und eine Berufung zu erkennen. Viele derjenigen, die in die Ausbildungsstätten für Geistliche eintreten, ziehen sich jedoch vom priesterlichen Dienst zurück. Derzeit werden beispielsweise am Priesterseminar in Allenstein nur 14 Seminaristen ausgebildet. 

Die Zahl junger Gläubiger sinkt

Der Grund für den Rückgang der Zahl der angehenden Priester ist in der sinkenden Zahl der Gläubigen unter den jungen Erwachsenen und der Überprüfung beziehungsweise Bestimmung der Lebensziele durch die potentiell Interessierten zu sehen. Die rückläufige Berufungsstatistik wird auch durch die Skandale im Klerus, den nicht eingehaltenen Zölibat, die von den Medien aufgedeckten und jahrelang vertuschten Fälle von Pädophilie, die Missbräuche in der kirchlichen Hierarchie und ganz allgemein die mangelnde Transparenz beeinflusst. 

Dies verstärkt das Misstrauen gegenüber kirchlichen Institutionen in der Republik Polen und die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche. Daran ändert auch die Autorität des Papstes nichts, der wegen seiner Haltung zum Ukrainekrieg ebenfalls in die Kritik geraten ist. 

Die Glaubenskrise hat nicht nur das Priesterseminar in Allenstein erreicht, der Mangel an Berufungen betrifft die gesamte Republik Polen. Im Jahr 2020 gab es nur jeweils einen Bewerber für die Seminare in Drohiczyn, Gnesen und Sosnowitz, und niemand bewarb sich für das Seminar in Schweidnitz. Die fortschreitende Säkularisierung der Gesellschaft zeigt sich am deutlichsten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die nur manchmal oder gar nicht Gottesdienste besuchen und sich immer seltener als praktizierende Katholiken bezeichnen.