27.04.2024

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Folge 27-22 vom 08. Juli 2022 / Zeitzeugen berichten / Gastschülerin in Stargard / Kriegsereignisse zwangen zum Schulwechsel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-22 vom 08. Juli 2022

Zeitzeugen berichten
Gastschülerin in Stargard
Kriegsereignisse zwangen zum Schulwechsel
Brigitte Klesczewsk

Im Jahr 1943 nahmen die Terrorangriffe der Alliierten auf deutsche Städte gewaltig zu. Auch Stettin hatte einen besonders schweren Terrorangriff in der Nacht vom 20. zum 21 April 1943 erlebt. Im Sommer darauf wurde beschlossen, dass die unteren Klassen der Kaiserin-Auguste-Viktoria-Oberschule (K.A.V) bis zur Untersekunda wegen der zunehmenden Luftgefahr nach Anklam evakuiert werden sollten. Meine Eltern entschlossen sich, mich nach Stargard zur Schule zu schicken. Obwohl Stargard nur 35 Kilometer von Stettin entfernt lag, hatten die Schüler hier noch keine Terrorangriffe miterlebt und war 1943 eine heile, ruhige Stadt.

Stargard war nicht nur das „Rotenburg des Nordens“ und ein Eisenbahnknotenpunkt, sondern auch eine Schulstadt mit humanistischem Gymnasium, Oberlyzeum, Oberrealschule und Mittelschule. Von 1943 nach den Sommerferien bis Anfang Januar 1945 besuchte ich mit meiner Stettiner Klassenkameradin Jutta die Königin-Luise-Oberschule.

Im Gründungsjahr 1837 hieß diese Schule „Höhere Töchterschule“. Der Neubau der Königin-Luise-Oberschule war erst 1911 fertig gestellt worden. Die Schule lag im Goethepark. Der Direktor war zu meiner Zeit Dr. Nagel, sein Stellvertreter war der sehr beliebte Dr. Kroggel.

Kriegsbedingt auch Schüler aus dem Rheinland

Die Königin-Luise-Oberschule hatte nicht nur Gastschüler aus der pommerschen Hauptstadt, sondern auch viele aus dem Rheinland. Da auch die Mittelschule im Gebäude mit einquartiert und ein Teil des Gebäudes Lazarett war, gab es auch an dieser Schule Schichtunterricht im wöchentlichen Wechsel. Von den Lehrerinnen an dieser Schule habe ich die Deutschlehrerin Fräulein Prechel und die Mathematiklehrerin Frau Sendel in guter Erinnerung behalten. Fräulein Prechel gab uns den Rat: „Tut etwas für Euren Geist.“ Am Anfang der Woche versammelten sich alle Schüler zur Andacht in der Aula.

Die Fahrerei nach Stargard war anstrengender als vorher nach Stettin. Es fuhren auch weniger Züge in diese Kleinstadt. Um 6 Uhr morgens ging es mit der Kleinbahn von Hökendorf nach Finkenwalde und dort 6.45 Uhr weiter in Richtung Stargard. Wenn die Schule am Nachmittag um 13:15 Uhr begann, waren die Fahrschüler schon um 11:00 Uhr in Stargard. Diese Schule besaß keinen Aufenthaltsraum extra für die auswärtig wohnenden Schüler. Mit meiner Freundin Jutta habe ich mich in der Bahnhofsgaststätte aufgehalten. Wir haben auch dort auf Marken Mittag gegessen So manche Hausarbeit wurde hier zu Ende gebracht.

Am 10. Januar 1945 unternahm ich meine letzte Fahrt nach Stargard. Die Züge waren überfüllt mit Flüchtlingen aus Ostpreußen. Der Krieg zerstörte jetzt nicht nur sinnlos, er nahm auch uns auch die Heimat.