19.04.2024

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Folge 27-22 vom 08. Juli 2022 / Memel / Postamt wird nationales Kulturdenkmal / Das um das Jahr 1790 im Stil der Neogotik errichtete Gebäude soll ein multifunktionaler Kulturraum werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-22 vom 08. Juli 2022

Memel
Postamt wird nationales Kulturdenkmal
Das um das Jahr 1790 im Stil der Neogotik errichtete Gebäude soll ein multifunktionaler Kulturraum werden
Christoph Rieckert

Das an der Alexanderstraße/ Lindenstraße (Liepų gatve) gelegene Postamt in Memel wurde auf den Vorschlag des litauischen Kulturministeriums hin in die Liste der historischen, archäologischen und kulturellen Objekte von nationaler Bedeutung aufgenommen. Dies hat neben der ideellen auch eine materielle Bedeutung: Mit der Aufnahme des Postamtes in die Liste der Kulturdenkmäler soll sichergestellt werden, dass der Erhalt des Gebäudes für kulturelle Bedürfnisse der Öffentlichkeit Priorität bekommt.

Schon lange suchte die Stadt nach einem Investor, um das Gebäude zu nutzen und den Erhalt zu sichern. Dies gelang jedoch nicht. Die seit 2017 geplante Versteigerung des Gebäudes musste erfolglos abgebrochen werden. Das Kulturministerium bemüht sich nun gemeinsam mit der Stadtverwaltung von Memel [Klaipėda], die die Gebäude des Postamts Memel von dem 1918 gegründeten größten litauischen Postunternehmen AB Lietuvos Paštas übernehmen will, darum, dass dieses wichtige Kulturdenkmal ordnungsgemäß restauriert und instandgehalten sowie einer attraktiven öffentlichen Nutzung zugeführt wird.

Das aktuelle Postgebäude ist nicht das erste Postamt an dieser Stelle. Als 1866 wegen des stark gestiegenen Postaufkommens das alte Gebäude an der Börsenstraße zu klein wurde, zog man in das um 1790 gebaute Haus Alexanderstraße 5/6. Dieses gehörte dem Großkaufmann und Reeder Johann Georg Argelander, danach hat es der Kaufmann Rußlis erworben, von dessen Nachfolger hatte es im Jahr 1841 der Staat als Landratsamt übernommen. 1866 richtete man dort den Landespostdienst unter Postdirektor Milstrich ein. Im Jahr 1888 wurde dieses historische Haus abgerissen und durch einen Neubau des Architekten Schoede ersetzt. 

Zur festlichen Eröffnung des nördlichsten Post- und Telegraphengebäudes Deutschlands am 16. Oktober 1893 war sogar der Generalpostdirektor des Deutschen Reiches, Staatssekretär Wilhelm von Stephan, anwesend. Bis dahin war das Postamt vorübergehend an der Dange, neben dem Börsengebäude untergebracht (beide Gebäude wurden durch Bombardements 1944 zerstört – jetzt befindet sich dort der Dangepark).

Eröffnung im Jahr 1893

Das Postamt von Memel ist ein Gebäudekomplex im neugotischen Stil, das aus drei Teilen besteht: einem zweistöckigen Postamt mit Mansarden, zu beiden Seiten davon zwei einstöckige Gebäude. In einem davon befanden sich einst das Lager und der Pferdestall, in dem anderen wurden die Kutschen aufbewahrt. Die Gebäude wurden aus roten Klinkern errichtet, mit grüner Glasur bedeckte Keramikdetails zieren die Sockelgesimse, die Spitzen der Giebel und Zaunpfosten. Das Ensemble trägt Anzeichen von drei Stilrichtungen, vorherrschend ist jedoch die Neogotik: hohe durchbrochene und Staffelgiebel mit spitzbögigen Öffnungen und Nischen, drei- und vierblättrige dekorative Elemente.

Der Turm des Gebäudes beherbergt auch das Glockenspiel von Memel mit 

48 Glocken, das 1987 installiert wurde und jeden Sonnabend, Sonntag und feiertags geläutet wird.

Um zu entscheiden, welche Aktivitäten in Zukunft in diesem architektonischen Ensemble stattfinden könnten, gab das Kulturministerium eine Machbarkeitsstudie über die Verbesserung des „Klaipėda Central Post Office“-Komplexes in Auftrag. Die Studie ergab, dass die am besten geeignete Nutzung darin bestehen könnte, einen multifunktionalen Kulturraum einzurichten, ein Wissenschafts- und Kunstzentrum, das nach dem Astronomen Friedrich Wilhelm Argelander benannt werden soll. Argelander wurde 1799 in Memel geboren und hatte gute Kontakte zum späteren König Friedrich Wilhelm IV. Nach seinem Studium in Königsberg wurde er 1823 nach Turku berufen.

Das geplante multifunktionale Zen-trum soll auch Museums-, Veranstaltungs- und Wohnfunktionen beinhalten. Vor allem die Museumsfunktion soll an das historische Erbe erinnern. 

Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620–1688) vom Nutzen eines straff organisierten, landesweit verzweigten, einheitlichen Postsystems überzeugt. Pläne zur staatlichen Übernahme und Vereinigung des gesamten Botenpostwesens entstanden. Die Königsberger Botenpost bestand schon länger, ab 1457 war die Stadt der Mittelpunkt der Botenpost des Deutschen Ritterordens. Mit dem Herzogtum entstand 1525 die Ämter- und Schulzenpost mit einer Zentrale im Königsberger Schloss.

Auch die Preußische Post sollte mehr als nur Hofkorrespondenz transportieren. „Weil zuvörderst dem Kauf- und Handelsmanne hoch und viel daran gelegen“ sei, ordnete der Große Kurfürst den durchgehenden öffentlichen preußischen Postkurs von Memel im Osten über Königsberg und Berlin bis hin nach Bielefeld und Cleve im Westen an. Entsprechendes General-Postpatent erhielt der Postmeister am 30. Juli 1649. Dieser 1500-Kilometer-Fernpostkurs war die erste größere Maßnahme auf dem Weg zu einer neuartigen Postorganisation.

Im Jahr 1718 wurde dann erst die Postkutschenlinie von Tilsit nach Memel eingerichtet und wenig später die Verbindung von Königsberg über die Nehrung nach Memel. 1723 kam die Postlinie Memel – Riga – Reval (Tallin) – Sankt Petersburg hinzu.