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Folge 28-22 vom 15. Juli 2022 / Politik / Wenn frische Strahlkraft zum narzisstischen Elend wird / Mit Boris Johnsons Rücktritt endete nun auch in Großbritannien ein Aufstand gegen das politische Establishment. Über Glanz und Elend des Populismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-22 vom 15. Juli 2022

Politik
Wenn frische Strahlkraft zum narzisstischen Elend wird
Mit Boris Johnsons Rücktritt endete nun auch in Großbritannien ein Aufstand gegen das politische Establishment. Über Glanz und Elend des Populismus
Klaus Kelle

Boris Johnson war so etwas wie eine politische Wundertüte. Einer, der in keines der gängigen Raster zu passen schien. Ein Konservativer, der oft gar nicht konservativ wirkte in dem, was er tat und wie er es tat. Ein Volkstribun, der die Sprache der Menschen auf den Straßen sprechen konnte. Einer, dem man nachsagte, dass er davon träumte, Winston Churchill nachzufolgen. Der erste (west)europäische Regierungschef, der ohne zu zögern der von Russland angegriffenen Ukraine auch militärisch massiv zu helfen bereit war. Und der gleichzeitig seinem Volk strenge Corona-Regeln verpasste, um diese dann im privaten Leben selbst zu brechen. „Partygate“ und die unglaubwürdigen Verteidigungsversuche – er habe nicht erkannt, dass es sich bei den Treffen mit Drinks in der Hand um eine Party gehandelt habe – waren der Anfang vom Ende eines trotz allem faszinierenden Politikers.

Gleichzeitig ist Johnson der Typus politischer Anführer, in dem sich manifestiert, warum diese Leute in der Regel letztlich immer scheitern. Das Volk mag sie – für ihre Bereitschaft, sich in die Schlacht zu stürzen, für ihre Fähigkeit, scharfzüngig und unerschrocken, offenkundige Missstände im eigenen Land und das Versagen der herrschenden Eliten anzuprangern. Aber was, wenn genau diese Fähigkeiten sie dann an die Macht spülen? So wie Boris Johnson, so wie Donald Trump, Jair Bolsonaro oder auch Silvio Berlusconi?

Allein die Erfolgsgeschichten dieser Leute in der Politik sind faszinierend. Von Donald Trump erzählt man die glaubhafte Geschichte, dass er einmal beim alljährlichen „White House Correspondents Dinner“, wo er im Publikum saß, von Präsident Barack Obama am Rednerpult lächerlich gemacht wurde, weil Trump zuvor öffentlich Zweifel daran geäußert hatte, ob Obama überhaupt US-Staatsbürger sei. In diesem Moment, so die Legende, habe Trump beschlossen: Dir zeige ich’s! Und er stieg ins Rennen um die Präsidentschaftskandidatur ein. Ein Zählkandidat, wie die meisten Beobachter dachten. Aber der Immobilien-Tycoon meinte es ernst.

Der schnelle Weg vom Aufbruch zum Scheitern

Schon Trumps Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner war eine Sensation. Als er dann im November 2016 tatsächlich zum mächtigsten Mann der Welt gewählt wurde, glich das einem politischen Erdbeben, wie man es selten erlebt. Alles wurde plötzlich in Frage gestellt. Alte Feindschaften wie die zu Nordkorea zum Beispiel oder auch alte Freundschaften wie die mit EU und NATO. 

Nichts war mehr unantastbar, niemand des links-grün-woken Establishments sollte mehr sicher sein, die Agenda für die Zukunft bestimmen zu können. Nicht einmal die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der er den Handschlag vor laufenden Kameras verweigerte. Herrlich unkonventionell, so empfanden viele die Anfangszeit seiner Präsidentschaft, wenngleich seine Respektlosigkeit gegenüber unserem Land natürlich inakzeptabel war. 

Doch so frisch und unkonventionell, wie die Populisten beginnen, so scheitern sie oft auch. Vielleicht selbstberauscht vom Erfolg und der Ansicht, sich über Regeln hinwegsetzen zu können, sich eine eigene Wahrheit basteln zu können und zu glauben: Mir kann niemand. So war es bei Johnson, der harte Corona-Maßnahmen verfügte und sich dann selbst nicht daran hielt. So war es bei Trump, der nicht bereit war, seine Wahlniederlage 2020 zu akzeptieren, und der Amtsträger versuchte zu nötigen, Wahlergebnisse zu frisieren. 50 Gerichte in den USA haben sich mit Wahleinsprüchen des Trump-Teams beschäftigt. Ausnahmslos alle kamen zu dem Ergebnis, dass die Wahl korrekt verlaufen ist.

Der Glanz, den viele Populisten ausstrahlen, und der uns so zu begeistern vermag, er wird zum Elend, wenn deutlich wird, dass es oft Narzissten sind, Egomanen, die denken, dass die Regeln, die sie mitbeschlossen haben, nur für die anderen gelten. Und die dann von der Realität eingeholt werden, mit Schimpf und Schande vom Thron gejagt oder vor Gericht gezerrt werden.