26.04.2024

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Folge 28-22 vom 15. Juli 2022 / Europäische Kommission / „Eine Verachtung der Demokratie“ / Chat-Verkehr zwischen Ursula von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla bleibt im Dunkeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-22 vom 15. Juli 2022

Europäische Kommission
„Eine Verachtung der Demokratie“
Chat-Verkehr zwischen Ursula von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla bleibt im Dunkeln
Wolfgang Kaufmann

Zu Beginn der Corona-Pandemie verhandelte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen monatelang mit dem Chef des US-amerikanischen Pharmagiganten Pfizer, Albert Bourla, und bestellte am Ende 1,8 Milliarden Dosen des Impfstoffes von BioNTech/Pfizer für die Europäische Union. 

Wie die „New York Times“ bereits im April vergangenen Jahres berichtete, stiegen die Kosten im Verlauf des Dialoges, der vorwiegend über Textnachrichten auf dem Mobiltelefon geführt wurde, von 15,50 auf 19,50 Euro pro Dosis, wobei der Herstellungspreis möglicherweise nur drei Euro beträgt. Im November schrieb die einflussreiche überregionale US-Tageszeitung, von der Leyen habe unter großem Erfolgsdruck gestanden und daher einen unvorteilhaften Deal mit Pfizer abgeschlossen. 

Auch auf Rückfrage hin hielt die EU-Kommission alle Details der Absprachen ihrer Präsidentin mit Bourla geheim. Sie behauptete, die entsprechenden Textnachrichten der beiden Verhandlungsführer könnten „nicht identifiziert“ und somit auch nicht offengelegt werden.

Das führte zu diversen Beschwerden bei der Europäischen Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly, Die irische Journalistin und Autorin forderte daraufhin die EU-Kommission am 28. Januar auf, „eine umfassendere Suche nach den relevanten Nachrichten durchzuführen“, denn die bisherige Verfahrensweise „entspricht nicht den angemessenen Erwartungen an Transparenz und Verwaltungsstandards“.

Dem pflichtete die sozialdemokratische belgische EU-Parlamentsabgeordnete Kathleen Van Brempt bei: „Wir haben das Recht zu erfahren, was die Kommissionspräsidentin mit dem Pfizer-CEO besprochen hat.“ Außerdem startete die konzernkritische Nichtregierungsorganisation SumOfUs eine Online-Petition mit der Forderung nach Offenlegung der Chat-Verläufe.

Textnachrichten nicht archiviert 

Die Reaktion darauf ließ bis zum 29. Juni auf sich warten. Dann verkündete die tschechische Vizepräsidentin der EU-Kommission und Kommissarin für Werte und Transparenz, Věra Jourová, die von O’Reilly angemahnte Suche habe „zu keinen Ergebnissen geführt“, was juristisch nicht zu beanstanden sei. Zwar gebe es eine Verpflichtung der EU-Kommission, alle Unterlagen über die Arbeit ihrer Mitglieder aufzubewahren und zu registrieren, das gelte aber nicht für Textnachrichten wie die der Kommissionspräsidentin an den Pfizer-Chef. Denn „solche kurzlebigen, flüchtigen Dokumente“ müssten keineswegs archiviert werden. Dennoch werde die EU-Kommission nun ihre „Leitlinien zu modernen Kommunikationsmitteln“ überarbeiten, um dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen.

Von der Leyen hat während der gesamten Zeit seit April vergangenen Jahres zu dem Vorgang geschwiegen und ist auch einer diesbezüglichen Aussprache im EU-Parlament ferngeblieben. Das quittierte die niederländische Europaabgeordnete Sophie Helena in’t Veld von den Liberalen mit den Worten: „Ich denke, Präsidentin von der Leyen hätte hier sein sollen. Es scheint ein Muster zu geben, Debatten zu vermeiden, bei denen unangenehme Fragen gestellt werden könnten. Ich denke, das ist eine Verachtung der Demokratie.“