25.04.2024

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Folge 28-22 vom 15. Juli 2022 / Wiederaufbaukonferenz / Ein Marschallplan für die Ukraine? / Die „Erklärung von Lugano“ sieht die Beseitigung von Kriegsschäden auch mit EU-Geldern vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-22 vom 15. Juli 2022

Wiederaufbaukonferenz
Ein Marschallplan für die Ukraine?
Die „Erklärung von Lugano“ sieht die Beseitigung von Kriegsschäden auch mit EU-Geldern vor
Hermann Müller

Obwohl noch kein Ende des Krieges in der Ukraine absehbar ist, sind nun bereits Gespräche über die Finanzierung des Wiederaufbaus angelaufen. Im schweizerischen Lugano haben mehr als 40 Staaten und internationale Organisationen auf einer Wiederaufbaukonferenz über eine Art von Marshallplan für die Ukraine beraten. Ergebnis des Treffens ist eine „Erklärung von Lugano“, die sieben Grundprinzipien enthält. 

Dazu zählt die Verpflichtung auf einen demokratischen Prozess, an dem die ganze Gesellschaft beteiligt ist. Zudem sollen beim Wiederaufbau private Unternehmen eingebunden werden. Vorgesehen ist des Weiteren die Transformation der Ukraine in eine „CO₂-freie Gesellschaft“ sowie der Aufbau einer digitalisierten Verwaltung. Ausdrücklich enthält die Lugano-Erklärung auch die Forderung, dass die Aufbauprojekte frei von Vetternwirtschaft und Bereicherung sein sollen. In der Erklärung heißt es wörtlich: „Die Rechtsstaatlichkeit muss systematisch gestärkt und die Korruption ausgemerzt werden.“ 

Bereits im Vorfeld der Konferenz hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, Zahlungen an die Ukraine an Reformen in dem Land knüpfen zu wollen. „Ja zu Investitionen, aber gleich mit den notwendigen Reformen, zum Beispiel gegen Korruption oder zum Beispiel für den Aufbau der Rechtsstaatlichkeit“, so die Kommissionspräsidentin. Kurz vor der Konferenz in Lugano forderte von der Leyen nochmals weitere Anstrengungen der Ukraine im Kampf gegen Korruption und gegen den Einfluss von Oligarchen.

Im vergangenen Jahr hatte der Europäische Rechnungshof der Ukraine ein massives Problem mit Großkorruption und der Ausplünderung von Staatsbetrieben durch einflussreiche Privatpersonen bescheinigt. Auch bei den geplanten massiven Finanzhilfen für die Ukraine werden mit Sicherheit bei den ukrainischen Oligarchen Begehrlichkeiten geweckt.

Zugriff auf Oligarchen-Vermögen

Der Geldbedarf der Ukraine ist offenbar riesig. Die Europäische Investitionsbank hatte im Juni eine Schätzung vorgelegt, der zufolge der Wiederaufbau der Ukraine 1,1 Billionen US-Dollar kosten wird. Die ukrainische Regierung schätzt den Bedarf für den Wiederaufbau auf mindestens 720 Milliarden Euro. 

Nach den Vorstellungen der Regierung in Kiew sollen dazu die 300 bis 500 Milliarden Dollar an russischen Vermögenswerten herangezogen werden, die in verschiedenen Ländern eingefroren sind. Auf der Lugano-Konferenz sagte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal: „Wir glauben, dass die entscheidende Quelle für den Wiederaufbau die beschlagnahmten Vermögen Russlands und der russischen Oligarchen sind.“ Ganz in diesem Sinne prüft die EU laut von der Leyen Möglichkeiten, eingefrorene russische Vermögen zum Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden. 

Der „Wirtschaftsweise“ Achim Truger hatte sich hingegen bereits im Mai für gemeinsame EU-Schulden für den Wiederaufbau ausgesprochen. Ein Modell ähnlich dem Corona-Wiederaufbaufonds könne grundsätzlich auch für die finanzielle Unterstützung der Ukraine sinnvoll sein, so Truger. Der Ökonom räumte ein, dass „Summen von 500 Milliarden Euro gigantisch“ klingen. „In Relation zur Wirtschaftsleistung der EU handelt es sich jedoch nur um gut drei Prozent“, so der Ökonom von der Universität Duisburg-Essen.