18.04.2024

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Folge 28-22 vom 15. Juli 2022 / Ausstellung / Frauen auf dem Vormarsch / Das Badische Landesmuseum in Karlsruhe präsentiert „Göttinnen des Jugendstils“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-22 vom 15. Juli 2022

Ausstellung
Frauen auf dem Vormarsch
Das Badische Landesmuseum in Karlsruhe präsentiert „Göttinnen des Jugendstils“
Claus-M. Wolfschlag

Künstlerische Stile haben bisweilen ein Geschlecht. Manche Epochen scheinen nämlich in der Nachbetrachtung eher von männlichem, andere von weiblichem Geist dominiert. Augenfällig wird das zum Beispiel im Kontrast der strengen Romanik zum verspielten Rokoko.

Der Jugendstil entstand am Ende des 19. Jahrhunderts als erster Versuch, sich vom Historismus zu lösen und einen eigenständigen Stil der Moderne zu formulieren. Seine Erzeugnisse sind mehrheitlich von einer femininen Aura umhaucht. Das zeigt sich in der Beliebtheit floraler Schmuck-Motive, aber auch in den schwungvollen, leichten Linienführungen der Ornamentik. Nicht zuletzt aber in der fast omnipräsenten Darstellung graziler Weiblichkeit in Graphik, Malerei und Bildhauerei. 

Dass das in heutiger Zeit auch ideologische Begehrlichkeiten weckt, muss zur Kenntnis genommen werden. „Göttinnen des Jugendstils“ lautet der Titel einer Ausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, die sich vor allem mit der Rolle der Frau in jener Kunstepoche auseinandersetzt. Das baden-württembergische Wissenschaftsministerium wird aktuell „grün“ geleitet. So überrascht es nicht, dass in den Presse- und Katalogtexten der Schau überproportional feministische Deutungsmuster auftauchen. Vor allem das Fahrrad als Symbol weiblicher Emanzipation passt bestens zur heute offiziell propagierten Verkehrswende.

Dem Genuss der Exponate muss manche Zeitgeist-Blickverengung indes keinen Abbruch tun. Im Gegenteil: Die Karlsruher Schau ist großartig. Man sieht hochklassig gestaltete Zeitschriften-Titelseiten oder Werbegraphik des beginnenden Massenkonsums. Es erwarten den Betrachter Skulpturen, Vasen, Lampen, Glasarbeiten von einer Eleganz und luxuriösen Qualität, die eigentlich bis heute Maßstäbe setzen sollte. Gebrauchsgegenstände, Geschirr, Schmuck und Damenkleider verweisen auf den Jugendstil als Teil der beginnenden Reformbewegung. Die urbanisierten Bürger des Industriezeitalters sollten durch Sport, Ausdruckstanz, gesunde Ernährung und luftige Kleidung wieder an ein ganz natürliches, volkstümliches und spirituelles Leben herangeführt werden.

Die Ausstellung präsentiert zudem unterschiedliche Darstellungsformen der Frau im Jugendstil. Sei es als Wassernymphe, Medusa, düstere Verführerin oder Zeitung lesende und rauchende Frau von Welt. Zuletzt werden viele weibliche Künstler jener Epoche vorgestellt, von der Schleiertänzerin Loïe Fuller über die Schauspielerin Sarah Bernhardt bis zu Malerinnen wie der 1864 in Thorn/Westpreußen geborenen Julie Wolfthorn.

Göttinnen des Jugendstils ist bis zum 11. September im Badischen Landesmuseum, Schlossbezirk 10, Karlsruhe, zu sehen. Geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 12 Euro, Infos im Internet: www.landesmuseum.de